Umsatzsteuer Newsletter 19/2018
BFH bestätigt Wahlrecht bei Besteuerung der Reiseleistungen
Unternehmen, die Reiseleistungen beziehen, haben ein Wahlrecht, den (unionsrechtswidrigen) § 25 UStG anzuwenden oder sich auf die Art. 306 ff. MwStSystRL zu berufen. Dies bestätigt der BFH in seinem am 02.05.2018 veröffentlichten Urteil vom 13.12.2017 (XI R 4/16). Damit können die Unternehmen die steuerlich optimale Gestaltung wählen, für sich selbst wie auch für ihre Kunden, die letztlich die Umsatzsteuerbelastung zu tragen haben. Damit können die Unternehmen ein Maximum an Flexibilität nutzen und haben theoretisch die Möglichkeit, durch bewusste Gestaltung steuerlich unbelastete („weiße“) Umsätze zu generieren. Dies gilt jedenfalls so lange, bis der Gesetzgeber reagiert und § 25 UStG anpasst.

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1.    Sachverhalt
Ein deutscher Reiseveranstalter (DE) bot Radtouren in Deutschland an. DE unterwarf seine Umsätze der Margenbesteuerung nach § 25 UStG, zahlte also nur Umsatzsteuer auf die Differenz zwischen dem Reisepreis und den Aufwendungen aus Reisevorleistungen. Diese Reisevorleistungen wie Unterbringung, Verpflegung und Personenbeförderung bezog DE von einem österreichischen Subunternehmer (AT). AT rechnete ohne Umsatzsteuer an DE ab.

Nach Auffassung des Finanzamts hätte DE für die bezogenen Reisevorleistungen des AT deutsche Umsatzsteuer abführen müssen. Schließlich gehe die Steuerschuld für in Deutschland erbrachte Leistungen des im Ausland ansässigen AT nach § 13b UStG auf DE über. Da der Vorsteuerabzug bei Anwendung der Margenbesteuerung nach § 25 UStG ausgeschlossen ist, hätte DE deshalb auch Steuer an das Finanzamt abführen müssen.

DE berief sich allerdings auf Art. 306 ff. MwStSystRL, wonach bereits für die Leistungen des AT die Margenbesteuerung zur Anwendung kommt, so dass der Leistungsort am Sitz des Leistenden AT in Österreich liegt. Die deutsche Beschränkung auf B2C-Umsätze in § 25 UStG sei unionsrechtswidrig. Es könne daher keine deutsche Steuerschuld entstehen.

2.    Art. 306 ff. MwStSystRL geht § 25 UStG vor
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat laut BFH in der Vorinstanz zu Recht entschieden, dass sich DE hinsichtlich der bezogenen Reisevorleistungen unmittelbar auf die unionsrechtlichen Bestimmungen der Art. 306 ff. MwSt­SystRL berufen kann. Daraus folgt, dass diese Leistungen nicht in Deutschland steuerbar sind und DE hierfür entgegen dem nationalen Recht keine Steuer als Leistungsempfänger schuldet. Der BFH folgt insoweit den Vorgaben des EuGH aus den Urteilen vom 26.09.2013 in Vertragsverletzungsverfahren gegen acht Mitgliedstaaten. Dort hatte der EuGH entschieden, dass die Art. 306 ff. MwStSystRL keine Beschränkung der Margenbesteuerung auf B2C-Umsätze vorsehen (siehe KMLZ Newsletter 28/2013).

3.    Unterschiedliche Behandlung der selben Leistung möglich
Laut BFH muss sich DE auch nicht daran orientieren, wie der Subunternehmer AT die Umsätze behandelt hat. Eine abweichende Behandlung und damit eine doppelte Nichtbesteuerung sind zulässig. Die Rechtsfolgen des Vorrangs für das Unionsrecht, den DE geltend gemacht hatte, beschränken sich auf seine eigene Person und wirken sich daher nicht auf die Besteuerung des AT aus. Insoweit liegt auch kein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip vor. Die unterschiedliche Behandlung resultiert schließlich daraus, dass sich DE auf das günstigere Unionsrecht berufen kann, während AT an der für ihn günstigeren nationalen Regelung festhalten kann. Eine Richtlinie wie die MwStSystRL kann keine Verpflichtung eines Einzelnen begründen. Sie muss dazu erst von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, woraus sich dann eine Verpflichtung ergeben kann. In Österreich wird die korrekte Umsetzung der Art. 306 ff. MwStSystRL aber erst zum 01.05.2019 in Kraft treten.

4.    Unterschiedliche Behandlung verschiedener Leistungen möglich
Laut BFH kann sich DE auch auf das Unionsrecht berufen, ohne zugleich einheitlich für alle Reisevorleistungen jeweils die Margenbesteuerung anwenden zu müssen. DE kann transaktionsbezogen zwischen dem nationalen Recht und dem Unionsrecht wechseln. Die unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht darf nicht versagt werden, nur weil der Steuerpflichtige im Hinblick auf einen anderen, vergleichbaren Umsatz nationales Recht anwendet.

5.    Fazit
Das FG hatte mit Urteil vom 11.06.2015 (16 K 53/15) und damit bereits vor der EuGH-Entscheidung im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland (siehe KMLZ Newsletter 05/2018) festgestellt, dass § 25 UStG unionsrechtswidrig ist und sich Unternehmen deshalb auf die Art. 306 ff. MwSt­SystRL berufen können. Das FG war sich seiner Sache sehr sicher und sah noch nicht einmal einen Grund,die Revision zuzulassen. Das Finanzamt hatte die Revision dann aber doch über eine Nichtzulassungsbeschwerde angestrebt und auch erreicht. Allerdings ging der Schuss nach hinten los. Der BFH bestätigte nicht nur das Urteil des FG. Er wies darüber hinaus ausdrücklich darauf hin, dass die Unternehmen völlige Flexibilität haben in der Anwendung des Unionsrechts und des nationalen Rechts.

Unternehmen, die Reisevorleistungen für Deutschland von ausländischen Subunternehmern beziehen, können sich dabei nicht nur in Zukunft auf das günstigere Unionsrecht berufen und somit eine Besteuerung vermeiden. Das gilt auch für die Vergangenheit. Für noch nicht bestandskräftige Zeiträume kann eine Änderung der Steuerfestsetzungen und Rückzahlung der Umsatzsteuer beantragt werden, sofern die Umsatzsteuer bisher in Anwendung der deutschen Regelungen deklariert und abgeführt wurde.

Angesichts der drohenden Steuerausfälle aber ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung die Besteuerungslücke zumindest für die Zukunft bald schließen und § 25 UStG anpassen wird.

 

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501250
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 08.05.2018