Umsatzsteuer Newsletter 01/2020
Rechnungen: BFH zur Leistungsbeschreibung bei Waren im Niedrigpreissegment
Der BFH hat in zwei Urteilen (Az: XI R 2/18 und XI R 28/18) unternehmerfreundlich zur „handelsüblichen Bezeichnung“ in Rechnungen entschieden. Finanzverwaltung und Finanzgerichte fordern bislang, dass die Leistungsbeschreibung eine Einzelidentifizierung der Ware oder Dienstleistung ermöglichen muss. Insbesondere im Niedrigpreissegment weisen Rechnungen jedoch oft lediglich eine Leistungsgattung aus. Der BFH stellt klar, dass sich die Handelsüblichkeit der Leistungsbeschreibung nach den Abrechnungsgepflogenheiten richtet. Unternehmer können sich fortan auf die Handelsüblichkeit der verwendeten Bezeichnung berufen und so den Vorsteuerabzug sichern.

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1 Hintergrund
Ordnungsgemäße Rechnungen und die Ausübung des Vorsteuerabzugs sind nach wie vor ein Dauerbrenner bei Umsatzsteuer-Prüfungen. Zu den Rechnungsanforderungen zählt nach § 14 Abs. 4 UStG die Leistungsbeschreibung. In einem Klammerzusatz bezeichnet das Gesetz die geforderte Beschreibung als „handelsübliche Bezeichnung“. Die Verwaltung und auch einige Gerichte fordern bisweilen, dass die Beschreibung eine Einzelidentifizierung der Ware oder Dienstleistung ermöglichen muss. Fehlt eine erschöpfende Beschreibung, wird die Rechnung bemängelt und der Vorsteuerabzug versagt. Alternativ bezweifelt der Prüfer mit Verweis auf unzureichende Leistungsbeschreibungen, dass tatsächlich ein Leistungsaustausch stattgefunden hat. Dies zieht eine Steuerschuld gemäß § 14c Abs. 2 UStG nach sich. Der Rechnungsempfänger kann die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend machen.
 
Insbesondere für Waren im Niedrigpreissegment wird oft lediglich eine Leistungsgattung verwendet. So finden sich dann auf Rechnungen z. B. Bezeichnungen wie „T-Shirt“, „Hosen“ oder „Handyhülle“ ohne Größen- und Modellangabe. Teilweise enthalten die Rechnungen mehrfach dieselbe Bezeichnung und unterscheiden sich nur hinsichtlich Stückzahl und Preis. Diese Belege führen dann häufig zu Rechtsstreitigkeiten über die Handelsüblichkeit der Bezeichnung.
 
2 Sachverhalt
Den beiden Verfahren, die der BFH jetzt entschieden hat, liegen typische Sachverhalte zugrunde. Die Kläger handelten mit Bekleidung (Az: XI R 28/18) sowie mit Modeschmuck und Accessoires (Az: XI R 2/18) im Niedrigpreissektor. Die Rechnungen über Wareneingänge führten lediglich Gattungsbezeichnungen wie „T-Shirt“, „Hosen“, „Kette“ oder „Handyzubehör“ auf. In beiden Fällen versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aufgrund angeblich unzureichender Leistungsbeschreibung. Die Klagen vor dem Hessischen Finanzgericht hiergegen blieben erfolglos. Die bloße Angabe einer Gattung stelle keine handelsübliche Bezeichnung dar. Für eine hinreichende Bezeichnung des Leistungsgegenstands in einer ordnungsgemäßen Rechnung sei eine Beschaffenheitsbeschreibung notwendig, die die Ware eindeutig identifizierbar macht. Auch im Niedrigpreissektor erfolge der Weiterverkauf an Endverbraucher nach Ausstellung bzw. Anprobe. Dies mache eine Sortierung nach Modelltypen und Größen erforderlich. Es liege nicht im Interesse eines Händlers, das Risiko einzugehen, in nahezu unbegrenzter Menge ein immer gleiches Produkt in der immer gleichen Größe bzw. Modellzugehörigkeit zu erhalten. Daher sei es nicht handelsüblich, in großen Mengen Waren zu beziehen, deren Größe bzw. Modelltyp anhand der Rechnung in keiner Weise überprüft werden könne.
 
Die Kläger machten jeweils geltend, der Gesetzeszweck der „handelsüblichen Bezeichnung“ diene nicht der Einzelidentifikation. Zudem sei fälschlicherweise auf die Handelsüblichkeit im Einzelhandel abgestellt worden, während tatsächlich auf die Bezeichnungen des Großhandels hätte abgestellt werden müssen. Bei Lieferungen eines Großhändlers sei es selbstverständlich, dass die Waren in einem ausgewogenen Verhältnis an Größen bzw. Modellen geliefert würden. Die Leistungsbeschreibung sei damit handelsüblich.
 
3 Entscheidung des BFH
Der BFH stellt klar, dass die Rechnungsangaben im Rahmen ihres Kontrollzwecks auch dem Ausschluss der mehrfachen Abrechnung derselben Leistung dienen. Allerdings genüge hierfür nach nationalem Recht als Angabe der Art der gelieferten Gegenstände deren „handelsübliche Bezeichnung“. Eine „erschöpfende Beschreibung“ der konkret erbrachten Leistungen werde nicht gefordert. Mit dem Klammerzusatz „handelsübliche Bezeichnung“ verweise § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG auf Abrechnungsgepflogenheiten unter Kaufleuten. Diese hätten die gelieferten Waren zu untersuchen und etwaige Mängel dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen, da die gelieferte Ware ansonsten als genehmigt gilt (§ 377 Abs. 2 HGB). Ferner enthalte das Unionsrecht in Art. 226 MwStSystRL keinen entsprechenden Verweis auf die Handelsüblichkeit. Mitgliedstaaten sei es daher nicht erlaubt, den Vorsteuerabzug von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen, die über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehen. Somit genüge jede Leistungsbeschreibung, die unter die unionsrechtliche Definition „Menge und Art der gelieferten Gegenstände“ fällt. Der BFH stellt zudem fest, dass sich Unternehmer auf die Handelsüblichkeit der Leistungsbeschreibung berufen können. Das für den Unternehmer günstige nationale „Hilfsmerkmal“ der handelsüblichen Bezeichnung gehe dem Unionsrecht vor.
 
4 Praxisfolgen
Die Entscheidung ist unternehmerfreundlich und daher sehr zu begrüßen. Wer stets eine Vielzahl unterschiedlicher Artikel im Niedrigpreissegment einkauft, empfängt wiederkehrend Rechnungen, die lediglich Gattungsbeschreibungen enthalten. Diesbezüglich führen die Entscheidungen des BFH zu deutlich mehr Rechtssicherheit. Ferner stellen sie klar, dass die Betroffenen ihre betrieblichen Abläufe beibehalten können. Der Handel muss seine Bezeichnungen nicht anpassen, wenn der Gesetzgeber handelsübliche Bezeichnungen ausdrücklich ausreichen lässt. Dies ist eine enorme Erleichterung.
 
Die wichtigste Erkenntnis aus den Urteilen ist die Möglichkeit der Berufung auf die kaufmännischen Gepflogenheiten. Die Aussagen des BFH sind nicht auf das Niedrigpreissegment beschränkt und damit für alle Unternehmer von Bedeutung. Fortan muss gelten: Was gewöhnlich unter Kaufleuten als Leistungsbeschreibung anerkannt wird, genügt für Zwecke des Vorsteuerabzugs als handelsübliche Bezeichnung der Leistung. Im Streitfall kann der Finanzverwaltung mit der Urteilsargumentation begegnet werden. Unternehmer sollten hierzu Nachweise über die Handelsüblichkeit der verwendeten Angabe vorhalten.
 
Ansprechpartner:
 

Markus Müller, LL.M.
Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
E-Mail: markus.mueller@kmlz.de
 

Stand: 14.01.2020