Umsatzsteuer Newsletter 15/2024
JStG 2024-E: Steuerbefreiung für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG)
Erfreulicherweise sieht das geplante Jahressteuergesetz 2024 eine Neufassung der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen vor. § 4 Nr. 21 UStG wird von Grund auf neu gestaltet. Dies ist nach den gescheiterten Reformbemühungen im Rahmen der Jahressteuergesetze 2013 und 2019 auch überfällig. Das Bescheinigungsverfahren soll nun abgeschafft und die Regelung an das Unionsrecht sowie an die ergangene EuGH-Rechtsprechung angepasst werden. Alle Anbieter von Bildungsleistungen sind angehalten, ihren Leistungskatalog im Lichte der geplanten Neuregelung zu überprüfen.
1 Hintergrund
Die nationalen Steuerbefreiungen im Bildungsbereich laufen seit geraumer Zeit dem Unionsrecht zuwider (vgl. nur KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 09│2022). Für Anbieter bedeutet dies vor allem eines: Rechtsunsicherheit. In den Beratungen zu den Jahressteuergesetzen 2013 und 2019 scheiterten Reformbemühungen noch an der vorgebrachten Kritik. Nun, da gegen den Gesetzgeber aufgrund des ungeliebten Bescheinigungsverfahrens ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission eingeleitet wurde, nimmt er erneut Anlauf, eine dem Unionsrecht entsprechende Gesetzeslage zu schaffen. „Aller guten Dinge sind drei“, möchte manch Betroffener ihn ermutigen, dieses Mal standhaft zu bleiben.
 
2 Geplante Neuregelung
§ 4 Nr. 21 UStG-E wird von Grund auf neu gefasst und enthält fortan lediglich noch zwei Buchstaben, deren Inhalte sich in Aufbau und Wortlaut eng an Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL orientieren. Das unliebsame Bescheinigungsverfahren entfällt nach dem Gesetzentwurf in Gänze. § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. a UStG-E befreit Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen erbracht werden. Die Steuerbefreiung für Leistungen der Fortbildung, die durch nicht-öffentliche allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen erbracht werden, gilt nur, wenn diese Einrichtungen keine systematische Gewinnerzielung anstreben.
 
§ 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. b UStG-E befreit „Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erteilt wird.“
 
3 Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen
Bildungsanbieter: Der Begriff „Einrichtung“ im Sinne des § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. a UStG-E ist rechtsformneutral ausgestaltet und erfasst Anbieter sowohl mit wie auch ohne systematische Gewinnerzielungsabsicht. Öffentliche Einrichtungen in diesem Sinne sind unverändert insbesondere die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betriebenen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen und staatliche Hochschulen. Diesen gleichgestellt sind zunächst die nicht-öffentlichen Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung und staatlicher Anerkennung, wie z. B. Ersatz- und Ergänzungsschulen sowie Hochschulen im Sinne der Landeshochschulgesetze. Daneben ist der große Sektor der privatrechtlichen Bildungsanbieter begünstigt, wie z. B. Nachhilfeinstitute, Tanz- und Musikschulen, sowie die diversen Aus- und Fortbildungsstätten. Auch selbständige Lehrer, die ihrerseits als freie Mitarbeiter Unterrichtsleistungen an Schulen, Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen erbringen, sind selbst als andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen anzusehen. Für all diese zuvor in § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) und § 4 Nr. 21 Buchst. b) bb) UStG Genannten entfällt das Bescheinigungsverfahren der Landesbehörden. „Privatlehrer“ im Sinne des § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. b UStG-E umfasst ausschließlich natürliche Personen. Der Privatlehrer muss in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung Unterrichtsleistungen erbringen.
 
Bildungsleistung: Ob die Leistungen in Präsenz oder online erbracht werden, ist für die Frage der Steuerbefreiung irrelevant. Hinsichtlich der begünstigten Inhalte müssen die einzelnen Teilbereiche gesondert betrachtet werden:
  • Schul- und Hochschulunterricht ist nach der strengen Definition der EuGH-Rechtsprechung zu verstehen. Spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht kann demnach selbst dann nicht befreit werden, wenn er von gewichtigem Allgemeininteresse ist (wie z. B. Schwimmunterricht). Ungeachtet dessen soll – über den bisherigen Gesetzeswortlaut hinaus – auch solcher Unterricht befreit werden, der Kenntnisse, die Schüler und Studenten in Bildungseinrichtungen erworben haben, vertieft und festigt, wie z. B. Nachhilfeleistungen.
  • Ausbildung und berufliche Umschulung umfasst Lehrgänge, Kurse u. Ä., die jeweils für sich genommen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die zur Aufnahme eines (anderen) Berufs befähigen. Darunter fallen öffentlich-rechtlich geregelte Ausbildungen wie auch Leistungen, die auf die Aufnahmeprüfung an Hochschulen vorbereiten, wie z. B. Musik-, Tanz- und Ballettunterricht oder Unterricht im künstlerischen Bereich.
  • Fortbildung findet in einem bereits ausgeübten Beruf statt und fördert die berufliche Handlungsfähigkeit.
  • Nicht begünstigte Leistungen sind solche, die der bloßen Freizeitgestaltung dienen. Wann dies zutrifft, kann nur im Einzelfall u. a. anhand der thematischen Zielsetzung und des Teilnehmerkreises bestimmt werden.
4 Einordnung und Handlungsempfehlungen bis zum Inkrafttreten
Die Neufassung von § 4 Nr. 21 UStG ist überfällig und daher zu begrüßen. Die jetzige Entwurfsfassung weist Parallelen zur 2019er Version auf, wodurch auch die damalige Kritik wieder aufkommen wird, etwa zur Abgrenzung von Aus- und Fortbildung im Einzelfall. In der Gesamtschau überwiegt das Positive jedoch deutlich: Um die Übernahme der kryptischen Vorgaben des EuGH zum Schul- und Hochschulunterricht kommt der Gesetzgeber nicht länger herum. Mit den deutlich weiter gefassten Teilbereichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung bietet die Neuregelung Anbietern aber Lösungsmöglichkeiten für längst verloren geglaubte Steuerbefreiungen. Der Wegfall des Bescheinigungsverfahrens führt einerseits zu mehr Rechtssicherheit, da im Streitfall der doppelte Rechtsweg entfällt. Andererseits durften sich Inhaber einer Bescheinigung in der Vergangenheit vor dem Finanzamt recht sicher fühlen. Damit ist nun Schluss. Die Neuregelung wird – Stand jetzt – zum 01.01.2025 in Kraft treten. Sämtliche Anbieter von Bildungsleistungen sollten ihren Leistungskatalog und ggf. auch ihre Satzung frühzeitig im Lichte der geplanten Neufassung auf die Probe stellen.
 

Ansprechpartner:

 

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
 
Stand: 12.04.2024