Umsatzsteuer Newsletter 45/2023
EuGH: Werbegeschenke bei Zeitschriftenabos unterliegen dem ermäßigten Steuersatz
Der EuGH hat entschieden, dass Werbegeschenke (Tablets / Smartphones) zu Zeitschriften-Abos für Neukunden mit kurzfristige Kündigungsmöglichkeit unter zwei Kriterien eine einheitliche Leistung und keine unentgeltliche Wertabgabe darstellen. Damit unterliegt das Werbegeschenk dem ermäßigten Steuersatz der Zeitschriftenlieferung als Hauptleistung. Der Unternehmer muss das Entgelt des Zeitschriften-Abos nicht aufteilen.
1 Hintergrund
Zur Neukundengewinnung bieten Verkäufer von Abomodellen (z. B. Zeitschriften, Internet-, Telefon-, Handy- und Stromtarife, Girokonten) Interessenten bei Abschluss eines Abos eine kostenlose Werbeprämie an. Es stellt sich dann die Frage, ob das Werbegeschenk als unselbständige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt oder ob es sich um eine separate Leistung handelt. Sofern Letztere „unentgeltlich“ erfolgt, muss geprüft werden, ob dieser Vorgang als unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern ist. Während die Finanzverwaltung die Lieferung der Zeitschrift und der Sachprämie zumindest bei langfristigen Zeitschriftenabos als einheitliche Leistung mit ermäßigtem Steuersatz einstuft, hat die Rechtsprechung jüngst das Vorliegen einer einheitlichen Leistung verneint und die Werbegeschenke gesondert mit dem Regelsteuersatz versteuert. 
 
2 Urteil des EuGH v. 05.10.2023 (C-505/22) – Deco Proteste – Editores Lda
Der Verlag Deco Proteste – Editores Lda vertreibt Zeitschriften in Portugal ausschließlich als Abo ohne feste Vertragslaufzeit. Um neue Abonnenten zu werben, startet der Verlag mehrmals jährlich eine Aktion, in der Neukunden bei Abschluss eines Abos eine kostenlose einmalige Abo-Prämie erhalten. Die Abo-Prämie ist ein Smartphone oder Tablet zu einem Einkaufspreis von unter EUR 50. Nach Zahlung der ersten Abo-Monatsrate bekommt der neue Abonnent die Zeitschrift und die Abo-Prämie. Der Abonnent darf die Abo-Prämie in jedem Fall behalten, auch wenn er das Zeitschriftenabo direkt nach Erhalt der Abo-Prämie kündigt. Der Verlag behandelte die Abo-Prämie als Nebenleistung zur Hauptleistung der Zeitschriftenlieferung und wandte den ermäßigten Steuersatz für Zeitschriften an. Die Steuerbehörde hingegen sah in der kostenlosen Abo-Prämie eine der Lieferung gleichgestellte unentgeltliche Zuwendung, die in Höhe des Einkaufspreises dem Regelsteuersatz von 23% zu unterwerfen ist.
 
Der EuGH entschied zu Gunsten des Klägers: Die Abo-Prämie ist eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung der Zeitschriftenlieferung. 
 
 
Für diese Qualifizierung der Abo-Prämie als Nebenleistung stellt der EuGH zwei Kriterien auf: 
 

1. Die Abo-Prämie darf für die Kundschaft keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern nur als Mittel dienen, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers liegt der einzige Zweck der Abo-Prämie aber darin, einen Anreiz für das Abo zu geben und damit die Zahl der Abonnenten zu erhöhen bzw. die Gewinne zu steigern. Unerheblich ist dabei, dass einige Abonnenten unmittelbar nach Erhalt der Prämie kündigen, da solche Verluste in der kaufmännischen Kalkulation des Verlags berücksichtigt sind. Zusätzlich ermöglicht es die Abo-Prämie dem Abonnenten, die Zeitschrift in digitaler Form zu lesen und damit die Hauptleistung der Zeitschriftlieferung unter optimalen Bedingungen zu nutzen. 

2. Die Abo-Prämie darf im Verhältnis zur Hauptleistung nur einen geringen Wert haben. Mangels Angaben zur Abo-Monatsrate orientiert sich der EuGH an dem geringen Wert von Geschenken, welcher in Portugal bei < EUR 50 (und in Deutschland bei < EUR 35 netto, Abschn. 3.3 Abs. 11 Satz 2 UStAE) liegt. 

Rechtsfolge der Qualifikation der Abo-Prämie als Nebenleistung ist, dass (1) die Abo-Monatsrate das einheitliche Entgelt für zwei Leistungen (= die vereinbarungsgemäß umsatzsteuerpflichtige Leistung und das – dann umsatzsteuerrechtlich gedanklich – vermeintliche Geschenk) ist, (2) ein einheitlicher (ermäßigter) Steuersatz gilt, (3) der volle Vorsteuerabzug, sofern die Hauptleistung der Umsatzsteuer unterliegt, zu gewähren ist und (4) keine eigenständige (umsatzsteuerpflichtige) unentgeltliche Wertabgabe besteht. 
 
3 Auswirkungen auf die Praxis
Der EuGH erweitert die Ansicht der Finanzverwaltung hinsichtlich Abos mit kurzer Kündigungsfrist und schränkt sie zugleich – wie das FG Hamburg, Urteil v. 19.01.2022 – 6 K 16/20 – dahingehend ein, dass das Werbegeschenk zur optimalen Nutzung der Hauptleistung dienen muss. Die Kriterien des EuGH dürften nicht nur bei Werbegeschenken im Zusammenhang mit Lieferungen, sondern auch bei sonstigen Leistungen gelten. Problematisch kann die Einstufung als Nebenleistung dann werden, wenn die sonstige Leistung als steuerfreie Hauptleistung zu qualifizieren ist. In diesem Fall wäre der Vorsteuerabzug auch für das Werbegeschenk ausgeschlossen. 
 
Für den Fall, dass die beiden Kriterien nicht erfüllt sind und das Geschenk als eigenständige Leistung zu sehen ist, stellt sich die Frage, ob eine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG vorliegt. In diesem Zusammenhang ist zu erinnern, dass nach der neueren Rechtsprechung des EuGH (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 19 | 2021) eine unionsrechtskonforme Reduktion der deutschen Vorschriften vorgenommen werden muss. Sofern die Eingangsleistung für das Unternehmen erforderlich ist und die Kosten (kalkulatorisch) in den Preis der getätigten Ausgangsumsätze einfließen, kann die Besteuerung in Form einer unentgeltlichen Wertabgabe neuerdings entfallen. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 18.10.2023