Umsatzsteuer Newsletter 40/2023
Umsatzsteuerrechtliche Organschaft: Mittelbare wirtschaftliche Eingliederung
Bereits im Jahr 2009 hatte der BFH erstmals entschieden, dass die wirtschaftliche Eingliederung im Zusammenhang mit der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft auch mittelbar möglich ist. Diese Möglichkeit wird bei der Prüfung der Organschaftsvoraussetzungen in der Praxis leicht übersehen. Umso wichtiger ist es, dass der BFH seine Rechtsprechung von damals aktuell noch einmal aufgreift. Auch der Hinweis des BFH, dass eine Beteiligung nicht dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden muss, um Organgesellschaft sein zu können, muss als wertvolle Klarstellung für die Praxis gelten.
1 Sachverhalt
Gegenstand des Einzelunternehmens des G war der Erwerb von Immobiliarvermögen. G war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden GmbH (im Folgenden: Klägerin). Gegenstand der Klägerin war die Vermietung und Verwaltung von Immobilien. Die Klägerin verwaltete (neben etwa 1.828 anderen Einheiten) die zwölf im Eigentum des G stehenden Wohnhäuser und übernahm für weitere 1.805 fremde Objekte die Sonderverwaltung. Eingangsseitig mietete die Klägerin Büroräume von einer GbR an, deren Anteile zu 95 % der G hielt. Die Klägerin war ihrerseits Teil der „V Gruppe“. Die V Gruppe bestand aus mehreren Unternehmen, die verschiedene Dienstleistungen im Immobilienbereich anboten. Offengelassen hatte das Finanzgericht, ob Unternehmen der V Gruppe entgeltliche Leistungen an die Klägerin erbrachten. Das Finanzgericht ging davon aus, dass die Klägerin mangels wirtschaftlicher Eingliederung keine Organgesellschaft des G war. Dabei ließ es insbesondere die Frage unbeantwortet, ob andere Gesellschaften der V-Gruppe in G eingegliedert waren.
 
 
2 Entscheidungsgründe
Wegen der deutlich ausgeprägten finanziellen und organisatorischen Eingliederung der Klägerin in G kann die wirtschaftliche Eingliederung auch weniger deutlich zu Tage treten. Es bedarf dazu eines vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhangs. Dabei müssen die Tätigkeiten von Mutter- und Tochtergesellschaft aufeinander abgestimmt sein und sich fördern sowie ergänzen. Entscheidend ist hierfür die Verflechtung der jeweiligen Unternehmensbereiche (nicht aber die Zuordnung der Beteiligung durch die Muttergesellschaft zu ihrem Unternehmensvermögen). In letzterem Sinne versteht der BFH auch Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. Abschn. 2.3 Abs. 2 [wohl Abs. 3] Satz 5 Nr. 2 UStAE.
 
Der BFH folgt dem Finanzgericht, soweit dieses die Hausverwaltungsdienste der Klägerin gegenüber G als im Grundsatz für die wirtschaftliche Eingliederung nicht ausreichend angesehen hat. Dies seien standardisierte Dienstleistungen (ähnlich der Buchhaltung), für die es zahlreiche, austauschbare Anbieter gebe. Nur wenn diese Dienste gegenüber G für die Klägerin von erheblicher Bedeutung sind, könnte sich daraus doch die wirtschaftliche Eingliederung ergeben. Da das Finanzgericht die Anzahl der durch die Klägerin gegenüber G und Dritten verwalteten Einheiten lediglich für den ersten Tag des dreijährigen Streitzeitraums festgestellt hat, konnte der BFH dies nicht abschließend beurteilen.
 
Das Finanzgericht muss daneben im zweiten Rechtsgang noch aufklären, ob möglicherweise andere Unternehmen der V Gruppe die Unternehmensaktivität der Klägerin im Sinne einer wirtschaftlichen Eingliederung gefördert haben. Die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G läge sodann vor, wenn das Unternehmen der V Gruppe, in welches die Klägerin wirtschaftlich eingegliedert ist, Organgesellschaft des G wäre. Leistungen des G an die übrigen Gesellschaften der V Gruppe können dabei nur deren wirtschaftliche Eingliederung in G begründen, nicht aber die Eingliederung der Klägerin in dieses Unternehmen der V Gruppe.
 
3 Praxisfolgen
Nach einer Reihe von Entscheidungen zur Zulässigkeit der deutschen Organschaft an sich und der Eingliederung von Personengesellschaften hat der BFH sich nunmehr wiederum mit der wirtschaftlichen Eingliederung befasst. Wesentlich sind insoweit die Ausführungen des BFH zur mittelbaren wirtschaftlichen Eingliederung. Organträger und Organgesellschaft stellen ein Unternehmen dar. Die Leistungen der Organgesellschaft werden umsatzsteuerrechtlich dem Organträger zugerechnet. Wenn daher eine Gesellschaft der V Gruppe, die Organgesellschaft des G ist, durch z. B. entgeltliche Leistungen an die Klägerin deren wirtschaftliche Eingliederung begründet, wirkt dies wie eine Leistung des G. Daher können auch derartige Leistungen, die zivilrechtlich nicht unmittelbar vom Organträger, sondern von einer seiner Organgesellschaften erbracht werden, die wirtschaftliche Eingliederung zum Organträger begründen. Unerwähnt lässt der BFH in diesem Zusammenhang die Vermietung durch die GbR an die Klägerin. Es wäre nicht ausgeschlossen, dass auch die GbR Organgesellschaft des G ist und die Vermietung der Büroräume die wirtschaftliche Eingliederung begründet.
 
Zuletzt hatte der BFH die Möglichkeit der wirtschaftlichen Eingliederung durch eine Vermietung eingeschränkt (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 36 | 2022). In derartigen Fällen begründet die Vermietung die wirtschaftliche Eingliederung nur, wenn die vermieteten Räume besonders für die Nutzung durch die Organgesellschaft ausgestattet und dadurch nicht austauschbar sind. Mit der vorliegenden Entscheidung führt der BFH eine derartige einschränkende Auslegung nicht fort. Er bestätigt bezüglich der mittelbaren Eingliederung vielmehr seine bisherige Linie. Das Finanzgericht Münster überträgt diese Rechtsprechung des BFH mit Urteil vom 13.06.2017 (15 K 2617/13) sogar auf eine noch weiter gehende Fallkonstellation.
 

Ansprechpartner:

Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Stand: 20.09.2023