Umsatzsteuer Newsletter 38/2023
BFH: Kein Aufteilungsgebot bei Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks mit Betriebsvorrichtungen
Der BFH hat entschieden: Kein Aufteilungsgebot nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG in eine steuerfreie Grundstücksüberlassung und eine steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen. Damit ändert der BFH in Umsetzung des EuGH-Urteils in der Rs. C-516/21 seine Rechtsprechung mit Beschluss vom 22.03.2023. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist nicht auf die Verpachtung von auf Dauer eingebauten Betriebsvorrichtungen anzuwenden, wenn es sich dabei um eine Nebenleistung zur Verpachtung als Hauptleistung handelt, die nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei ist.
1 Hintergrund
Während die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a) UStG umsatzsteuerbefreit ist, gilt dies nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht für sog. Betriebsvorrichtungen. Vielfach werden Grundstücke samt Betriebsvorrichtungen vermietet (sog. gemischte Vermietung). Der BFH entschied dazu bereits 1998 (Urt. v. 28.05.1998 – V R 19/96, BStBl. II 2010, 307), dass derartige gemischte Vermietungen in einerseits steuerfreie Grundstücksüberlassungen und andererseits steuerpflichtige Überlassungen von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen sind. Der BFH statuierte ein sog. Aufteilungsgebot. Die Finanzverwaltung schloss sich dem an (Abschn. 14.12.10 UStAE). 
 
Das Aufteilungsgebot steht seit jeher in einem Spannungsverhältnis zu dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der „Einheitlichkeit der Leistung“, wonach ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang nicht wirklichkeitsfremd in mehrere Leistungen aufgeteilt werden darf (Abschn. 3.10 Abs. 3 UStAE). Vielmehr besteht die einheitliche Leistung aus einer Haupt- und einer oder mehreren Nebenleistungen. Kennzeichnend für Nebenleistungen ist, dass sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern einer Inanspruchnahme der Hauptleistung unter optimalen Bedingungen dienen. Nebenleistungen teilen das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung (Abschn. 3.10. Abs. 5 UStAE). Der BFH hatte nun (BFH, Beschluss vom 17.08.2023 – V R 7/23 [V R 20/22]) zu klären: Gilt das Aufteilungsgebot bei der gemischten Vermietung hinsichtlich auf Dauer eingebauter Betriebsvorrichtungen auch, wenn es sich bei der Vermietung der Betriebsvorrichtungen um eine bloße Nebenleistung zur Vermietung eines Gebäudes als Hauptleistung handelt?
 
2 Sachverhalt
Der Kläger verpachtete ein Stallgebäude zur Putenzucht mit auf Dauer eingebauten Ausstattungselementen, die speziell der vertragsgemäßen Nutzung als Putenaufzuchtstall dienten und auf diesen Zweck abgestimmt waren. Zu den Ausstattungselementen gehörten spezielle Vorrichtungen zur Fütterung, eine Industrieförderspirale, Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie Beleuchtungssysteme. Der Kläger behandelte die Verpachtung insgesamt umsatzsteuerfrei. Demgegenüber teilte das Finanzamt in Umsetzung des Aufteilungsgebots die einheitliche Pacht auf, wobei es zu 20 % eine umsatzsteuerpflichtige Verpachtung annahm, und erließ entsprechende Änderungsbescheide. Das erstinstanzliche FG folgte der Rechtsauffassung des Klägers und war der Ansicht, dass eine insgesamt steuerfreie einheitliche Leistung vorliegt, die auch die Verpachtung der eingebauten Betriebsvorrichtungen einschließt. Der BFH setzte das nachfolgende Revisionsverfahren aus und wandte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen (BFH-Urteil v. 26.05.2021 – V R 22/20) an den EuGH. In seinem Urteil (EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-516/21 – Finanzamt X) räumt der EuGH der einheitlichen Leistung grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Aufteilungsgebot ein (s. dazu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 23│2023). Der EuGH überließ dem BFH zwar die Beurteilung, ob es sich auch im Entscheidungsfall um Haupt- und Nebenleistungen handelt, die eine einheitliche Leistung bildeten – merkte allerdings ausdrücklich an, dass dies „nahe zu liegen scheint“.
 
3 (Folge-)Entscheidung des BFH
Der BFH folgt mit dem Beschluss dem klaren Wink des EuGH – und gibt seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich auf. Nach der gewandelten Rechtsauffassung des BFH ist § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht auf die Verpachtung von auf Dauer eingebauten Betriebseinrichtungen anzuwenden, wenn es sich bei dieser Verpachtung um eine Nebenleistung zur Verpachtung eines Grundstücks / Gebäudes als Hauptleistung handelt, die nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a) UStG steuerfrei ist, so dass eine einheitliche (steuerfreie) Leistung vorliegt. Anders ausgedrückt: Dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung kommt Vorrang vor einem etwaigen Aufteilungsgebot zu. Weiterhin stellt der BFH klar, dass aus § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG – auch in Ansehung des unionsrechtlich zu Grunde liegenden Art. 135 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) MwStSystRL – kein zwingendes Aufteilungsgebot erwächst. Die Regelung diene generell nicht der Ausübung der durch Art. 135 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL eingeräumten Ermächtigung, weitere Ausnahmen von der Steuerbefreiung von Grundstücksüberlassungen vorzusehen. Die Möglichkeit des nationalen Gesetzgebers, Aufteilungsgebote gesetzlich zu regeln, stellt der BFH unter ausdrücklichem Verweis auf § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht in Frage. Die Zulässigkeit nationaler Aufteilungsgebote bejaht der BFH bei Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben weiterhin. 
 
4 Auswirkungen für die Praxis
Die Rechtsprechungsänderung des BFH ist positiv zu bewerten. Der BFH führt seine bisherige Rechtsprechungslinie im Kontext des § 4 Nr. 12 UStG konsequent fort (vgl. BFH, Urt. v. 11.11.2015 – V R 37/14; Urt. v. 10.12.2020 – V R 41/19 – hierzu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 24│2021). In Fällen gemischter Vermietung sollte geprüft werden, ob eine einheitliche und damit in Gänze steuerfreie Vermietungsleistung vorliegt oder umsatzsteuerlich getrennt zu beurteilende Einzelleistungen. Zu beachten ist aber, dass die Annahme einer einheitlichen steuerfreien Leistung zum Wegfall des bisher möglichen Vorsteuerabzugsrechts hinsichtlich der Betriebsvorrichtungen führt. Ein Vorsteuerabzug setzt dann eine Option nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG hinsichtlich der gesamten Vermietungsleistung voraus. 
 
Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechungsentwicklung weitere Bestätigung durch die anhängigen Verfahren erhalten wird. Darin geht es um die Frage der Behandlung von Stromlieferungen als Nebenleistungen bei umsatzsteuerfreier Vermietung (BFH, Az. V R 15/21 und XI R 8/21). Jedenfalls wäre neben einer Anpassung des Abschn. 14.12.10 UStAE auch eine Konkretisierung des Abschn. 3.10 zu begrüßen.
 
Ansprechpartner:
 
Dr. Jochen Tillmanns
Rechtsanwalt, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 381
 
Stand: 11.09.2023