Umsatzsteuer Newsletter 32/2021
BMF: Abmahnungen ab dem 01.11.2021 unterliegen der Umsatzsteuer
Abmahnungen ab dem 01.11.2021 unterliegen der Umsatzsteuer. So sieht es das aktuelle BMF-Schreiben vom 01.10.2021 vor. Der BFH war 2016 in einer Entscheidung zum UWG (XI R 27/14) und 2019 in einer Entscheidung zum UrhG (XI R 1/17) davon ausgegangen, dass ein Abmahnender mit einer Abmahnung eine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Abgemahnten erbringe. Dieser Sichtweise schließt sich das BMF für die Bereiche UWG und UrhG nun an. Für Abmahnungen vor dem 01.11.2021 enthält das BMF-Schreiben eine Nichtbeanstandungsregelung. Abmahnende und deren Berater müssen sich auf die neue Verwaltungspraxis einstellen.
1 Hintergrund
Der BFH hatte bereits 2016 zum Bereich des UWG (BFH, Urt. v. 21.12.2016 – XI R 27/14 (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 17 | 2017)) und 2019 zum Bereich des UrhG (Urt. v. 13.2.2019 – XI R 1/17 (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 24 | 2019)) entschieden, dass der Abmahnende mit einer Abmahnung eine steuerbare Leistung an den Abgemahnten erbringt. Entgelt sei der Aufwendungsersatz, den der Abgemahnte für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu zahlen habe. Die Abmahnleistung sei zum Regelsteuersatz zu versteuern. 
 
2 Inhalt des BMF-Schreibens
Am 01.10.2021 hat nunmehr das BMF ein entsprechendes Schreiben erlassen. Das BMF folgt darin den BFH-Entscheidungen, wonach eine Abmahnung eine Leistung i.S.d. UStG ist. Im Detail äußert sich das BMF wie folgt:
  • Inhalt der Leistung: Aus Sicht des BMF wendet der Abmahnende dem Abgemahnten einen Vorteil zu. Dem Abgemahnten werde ein Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht. Ihm wird dadurch die Möglichkeit gegeben, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise dadurch zu vermeiden, dass er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Der geltend gemachte Schadensersatz ist dagegen nicht umsatzsteuerbar. 
  • Zeitpunkt der Leistung: Die Abmahnleistung ist erbracht, sobald die Abmahnung beim Abgemahnten zugeht. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn der Abmahnende seine Abmahnleistung bereits in dem Voranmeldungszeitraum besteuert, in dem er die Abmahnung abgesendet hat. 
  • Bemessungsgrundlage: Bemessungsgrundlage ist der Aufwendungsersatz. Im Bereich des Urheberrechts bemisst sich dieser nach dem Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs (Anm: gemeint wohl nach den hierauf basierenden Rechtsverfolgungskosten). Zur Bemessungsgrundlage zählt auch der Ersatz von Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechteverletzers. Schadensersatz zählt hingegen nicht zum Entgelt. Entsprechend § 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG müssen in Abmahnschreiben Aufwendungs- und Schadenersatz aufgeschlüsselt werden. Geschieht dies nicht, ist der Gesamtbetrag insgesamt als Aufwendungsersatz zu behandeln und stellt damit die Bemessungsgrundlage dar. 
  • Minderung der Bemessungsgrundlage: Bestreitet der Abgemahnte die Rechtsverletzung substantiiert, hat der Abmahnende den Steuerbetrag im Besteuerungszeitraum des Bestreitens zu berichtigen.
  • Steuersatz: Die Abmahnleistung ist mit dem Regelsteuersatz i.H. von derzeit 19% zu versteuern. 
  • Unberechtigter Steuerausweis: Erfolgt die Abmahnung unberechtigterweise, da kein berechtigter Anspruch besteht, schuldet der Abmahnende dennoch Umsatzsteuer, wenn er diese in der Rechnung an den Abgemahnten gesondert ausweist, § 14c Abs. 2 S. 1 UStG. Er schuldet die Umsatzsteuer bis zur Beseitigung der Steuergefährdung.
  • Nichtbeanstandungsregelung: Abmahnungen, die der Abmahnende vor dem 01.11.2021 ausgesprochen hat und für die der Abgemahnte keinen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, dürfen die Beteiligten weiterhin als nichtsteuerbar behandeln. 
 
3 Einordnung
Folgende Aspekte bleiben auch nach dem BMF-Schreiben unklar bzw. können in der Praxis Schwierigkeiten bereiten: 
  • Das BMF bezieht seine Aussagen explizit nur auf Abmahnungen nach UWG und UrhG. Offen bleibt damit, wie das BMF mit Abmahnungen in anderen Bereichen umgehen will. Auch hier wäre Rechtsklarheit wünschenswert gewesen, insbesondere auch eine Nichtbeanstandungsregelung für die Vergangenheit. Der BGH geht auch im Markenrecht bereits von umsatzsteuerpflichtigen Abmahnungen aus (Urt. v. 21.01.21 – I ZR 87/20).
  • Im Entwurf des BMF-Schreibens war noch die Einschränkung enthalten, dass nur im Fall der berechtigten Abmahnung eine Leistung vorliegt. Diese Einschränkung gibt es in der aktuellen Fassung nicht mehr. Aus der Textstelle, die bei Steuerausweis im Fall der unberechtigten Abmahnung eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG annehmen will, kann geschlossen werden, dass die unberechtigte Abmahnung keine Leistung sein soll. 
  • In Fällen der Sollbesteuerung ist der Abmahnende verpflichtet, die Umsatzsteuer abzuführen, auch wenn er zunächst nicht weiß, ob er den „Richtigen“ abgemahnt hat, und ob und wann er eine Zahlung erhält. Einzige explizit erwähnte Konstellation, in der der Abmahnende seine Steuerschuld berichtigen kann, ist, wenn der Abgemahnte die Rechtsverletzung substantiiert bestreitet. Dies schließt nicht aus, dass eine Entgeltminderung aus Gründen vorliegt, die auch sonst im Rahmen des § 17 UStG anerkannt sind (Abschn. 17.1 Abs. 5 UStAE). 
 
4 Praxistipp
Für Abmahnungen vor dem 01.11.2021 können sich Abmahnende gegenüber dem Finanzamt auf die Nichtbeanstandungsregelung berufen. Für Abmahnungen ab dem 01.11.2021 müssen Abmahnende eine ordnungsgemäße Versteuerung vornehmen. Sie sollten Aufwendungs- und Schadenersatz im Abmahnschreiben klar aufschlüsseln. Weisen sie in Abmahnschreiben Umsatzsteuer gesondert aus, droht eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG, wenn sich der Abgemahnte nicht als tatsächlicher Rechteverletzer erweist. Wird ein Unternehmer abgemahnt, steht ihm unter den sonstigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG der Vorsteuerabzug zu. Dazu muss ihm der Abmahnende eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ausstellen – jedenfalls wenn feststeht, dass der Abgemahnte der tatsächliche Rechteverletzer ist.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Thomas Streit, LL.M. Eur.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Telefon: +49 89 217501275
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Stand: 08.10.2021