Umsatzsteuer Newsletter 05/2023
Nullsteuersatz bei Photovoltaikanlagen: Entwurf des BMF-Schreibens veröffentlicht
Für Photovoltaikanlagen gilt ab dem 01.01.2023 nach § 12 Abs. 3 UStG ein neuer Umsatzsteuersatz von 0 %. Die nach dem Gesetzeswortlaut dazu erforderlichen Voraussetzungen lassen jedoch einen immensen Auslegungsspielraum. Daher breitete sich in der Praxis langsam die Angst aus, dass die Unternehmer später 19 % Umsatzsteuer würden nachzahlen müssen, die sie bei den Kunden zivilrechtlich und wirtschaftlich wohl gar nicht mehr nachfordern könnten. Deshalb wurde das BMF-Schreiben zu diesem Thema mit großem Interesse erwartet. Der Entwurf ist jetzt veröffentlicht.
1 Änderung des Steuersatzes bei bestimmten Photovoltaikanlagen und deren wesentliche Komponenten
Mit Wirkung zum 01.01.2023 wurde durch das JStG 2022 in § 12 Abs. 3 UStG für die Lieferung, die Einfuhr, den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Installation von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) sowie deren wesentliche Komponenten ein Umsatzsteuersatz von 0 % (Nullsteuersatz) eingeführt. Die Anwendung ist jedoch an Voraussetzungen geknüpft (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 39 | 2022). Vor allem die „privaten“ Betreiber einer PV-Anlage sollten profitieren, da sie nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichten müssen. Seitdem häuften sich in der Praxis die Fragen hinsichtlich der Normauslegung. Man befürchtete eine steigende anstatt sinkende Bürokratiebelastung.
 
2 Aussagen im BMF-Schreiben (Entwurf) zu den einzelnen Voraussetzungen 
Das BMF nimmt im Entwurf des BMF-Schreibens Stellung zu den einzelnen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG: 
  • Lieferung von PV-Anlagen: Der Nullsteuersatz gilt für die Lieferung von netzgebundenen PV-Anlagen sowie von Inselanlagen. Die Vermietung von PV-Anlagen unterliegt dem regulären Steuersatz. Bei Leasing oder Mietkauf muss man unterscheiden, ob es sich dabei um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handelt.
  • Betreiber einer PV-Anlage ist derjenige, der zum Leistungszeitpunkt als Betreiber im Marktstammdatenregister (MAStR) registrierungspflichtig ist. Besteht keine Registrierungspflicht, ist davon auszugehen, dass der Erwerber ein Betreiber ist (Vereinfachung 1). Die vorausgehenden Lieferungen unterliegen jedoch dem Regelsteuersatz.
  • Belegenheit der Anlage:
    • Wohnung/Privatwohnung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt werden kann (auch etwa Gartenlauben oder gar Wohnwagen/-schiffe, wenn sie nicht oder nur geringfügig bewegt werden).
    • Dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten / hoheitliche Zwecke: Gebäude, die für bestimmte nach § 4 UStG steuerfreie oder dem ermäßigten Steuersatz für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke unterliegende Tätigkeiten nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG genutzt werden, fallen in den Anwendungsbereich der Regelung.
    • Werden Gebäude sowohl für unschädliche als auch für schädliche Leistungen (z. B. gewerbliche Zwecke) genutzt, so reicht es aus, wenn die unschädlichen Leistungen überwiegen (50 %-Regelung).
  • Nachweis: Es genügt, wenn der Erwerber erklärt, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG erfüllt sind.
  • Begünstigte Gegenstände: „Wesentliche Komponenten“ stellen u. a. Wechselrichter, Dachhalterung, Energiemanagement-System, Solarkabel, Wieland-Steckdose sowie eine Backup Box dar. Nicht begünstigt dagegen sind u. a. die Stromverbraucher (z. B. Ladeinfrastruktur, Wärmepumpe, Wasserstoffspeicher). 
  • Begünstigte Tätigkeiten: Unter anderem ist auch die unmittelbar mit der Lieferung einer PV-Anlage zusammenhängende Elektroinstallation begünstigt. Nicht begünstigt sind dagegen neben Reparatur und Wartung der PV-Anlagen Arbeiten, die auch anderen Personen zugutekommen (u. a. Boden- und Dacharbeiten). 
  • Eine unentgeltliche Wertabgabe (z. B. Strom für Privatzwecke) wird für neue PV-Anlagen nicht besteuert.
  • Vereinfachung 2: Der Nullsteuersatz soll für alle im MAStR eingetragenen Anlagen bis 30 kW (peak) angewendet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen nachweisbar nicht erfüllt sind.
  • Vereinfachung 3: Bei Solarmodulen mit einer Leistung von 500 Watt oder mehr ist davon auszugehen, dass sie für netzgebundene PV-Anlagen oder Inselanlagen eingesetzt werden. Sofern die Solarmodule also nicht im MAStR eingetragen werden (dann Vereinfachung 2), ist lediglich die Gebäudeeigenschaft nachzuweisen (siehe Vereinfachung 1 in Bezug auf den Erwerber). Dafür genügt die Bestätigung des Kunden. 
 
3 Spezialfall „Altanlagen“
Viele Betreiber einer vor dem 01.01.2023 fertiggestellten PV-Anlage haben auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet, damit sie über den Vorsteuerabzug von der Umsatzsteuer entlastet werden. Sie haben nun Folgendes zu berücksichtigen:
  • Wechsel des Betreibers: Der Verkauf oder die unentgeltliche Zuwendung einer PV-Anlage durch einen regulären Unternehmer gilt als eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen. Sofern es sich bei dem Erwerber um einen Kleinunternehmer handelt, führt der Wechsel zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Erwerber der PV-Anlage. Er muss ggf. Umsatzsteuer an den Fiskus zurückbezahlen.
  • Entnahme einer PV-Anlage: Eine Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmen ist nur dann möglich, wenn der Unternehmer mindestens 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Die unentgeltliche Wertabgabe soll dann aber mit dem Nullsteuersatz besteuert werden.
 
4 Folgen für die Praxis
Der Entwurf des BMF-Schreibens ist insgesamt zu begrüßen. Er bestätigt die erhoffte möglichst weite Anwendung des Nullsteuersatzes. Vor allem durch die Vereinfachungsregelungen ist der Nullsteuersatz für Solarmodule zwischen 500 Watt und 30 kW (peak) Leistung mit wenigen Prüfungsschritten rechtsicher anzuwenden. Für größere Anlagen reicht eine Kundenbestätigung aus, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Dies nimmt der Praxis viel Druck ab, da der Leistende die spätere Festsetzung von 19 % USt, etwa aufgrund fehlerhafter Nachweise, nicht befürchten muss. Ebenfalls zu begrüßen ist die fehlende Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe für neue PV-Anlagen. Ein Nachteil für Altanlagen darf aber nicht unerwähnt bleiben. Für sie bleibt die Wertabgabenbesteuerung, und zwar solange die Anlage in Betrieb bleibt. Durch die steigenden Strompreise entsteht hier ein immenses Kostenrisiko. Die Finanzverwaltung sollte überlegen, den Altanlagen-Betreibern entgegenzukommen und z. B. eine großzügigere Regelung zur unbesteuerten Entnahme, zumindest des privat genutzten Anteils der PV-Anlage, einzuführen.
 

Ansprechpartner:
 

 

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 01.02.2023