Umsatzsteuer Newsletter 14/2016
Update zur Rückabwicklung der Bauträgerfälle
Die Rückabwicklung der Bauträgerfälle ist durch den Beschluss des BFH v. 27.01.2016 ins Stocken geraten. Danach ist für die Steuerfestsetzung beim Leistenden und für den Erstattungsanspruch des Bauträgers der Zeitpunkt entscheidend, in dem der Bauträger den Umsatzsteuerbetrag an den Bauleistenden bezahlt. Damit wäre den Bauträgern der Zinsvorteil gem. § 233a AO genommen. Die Finanzbehörden haben bis zur weiteren Klärung Auszahlungen an Bauträger gestoppt. Das FG Münster wendet sich in einem aktuellen Urteil gegen die Sicht des BFH. Gegen dieses Urteil ist ein Revisionsverfahren anhängig.

1. Hintergrund
Zahlreiche Bauträger, die für den Einkauf von Bauleistungen in Altfällen zu Unrecht Umsatzsteuer nach § 13b UStG abgeführt hatten, haben in jüngster Vergangenheit Erstattungsanträge beim Finanzamt gestellt. Bisher war allgemeine Auffassung, dass die Steuererstattung zugunsten der Bauträger zu verzinsen ist. Zeitgleich kam es zu entsprechenden Steuernachforderungen für die Vergangenheit bei Bauleistenden. Diese machten häufig von der Abtretung nach § 27 Abs. 19 UStG Gebrauch.

2. BFH, Beschl. v. 27.01.2016 – V B 87/15
Durch einen Beschluss des BFH aus Januar 2016 ist diese Rückabwicklung von Altfällen ins Stocken geraten. In jenem Verfahren hatte der BFH einem Bauleistenden AdV gewährt. Dies erfolgte zum einen mit dem Verweis auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 27 Abs. 19 UStG, der den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO ausschließt. Zum anderen entwickelte der BFH einen neuen rechtlichen Ansatz: Der BFH erwägt eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG. Er hält es für möglich, dass der Steuerbetrag beim Bauleistenden in den Streitjahren (=Leistungszeitraum) uneinbringlich gewesen ist. Uneinbringlichkeit sei möglicherweise aufgrund der damals geltenden Verwaltungsanweisung gegeben, die den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger anordnete.

Folglich würde der Bauleistende die Umsatzsteuer für seine Leistungen an den Bauträger erst in dem Besteuerungszeitraum schulden, in dem er den Umsatzsteuerbetrag vom Bauträger vereinnahmt. Dieses Ergebnis sei auch aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze – Rechtssicherheit, Vertrauensschutz sowie Treu und Glauben – geboten. Dieses Ergebnis – so der BFH weiter – würde dann spiegelbildlich auch für den Bauträger gelten: Er hätte einen Erstattungsanspruch ebenfalls erst in dem Zeitpunkt, in dem er den Umsatzsteuerbetrag an den Bauleistenden entrichtet. Damit würde der Bauträger keine Verzinsung erhalten.

3. Zwei aktuelle Urteile des FG Münster
3.1. FG Münster, Urt. v. 15.03.2016 – 15 K 1553/15 U
In einem aktuellen Urteil widerspricht das FG ausdrücklich der Auffassung des BFH, wonach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG analog anzuwenden sei. Es liege kein Fall der Uneinbringlichkeit vor, wenn der Bauleistende – der dortige Kläger – seinen Werklohn vereinnahmt hat. Zu einem möglichen Anspruch auf Nachforderung der Umsatzsteuer hatte sich der Bauträger nicht geäußert. Das FG hält auch aus unionsrechtlicher Sicht eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG nicht für geboten. Der Wortlaut der Norm wäre überschritten, würde man Uneinbringlichkeit annehmen, obwohl der Bauleistende seinen Werklohn vereinnahmt hat. Auch eine entsprechende Anwendung der Norm beim Bauträger würde aus Sicht des FG gegen den Wortlaut verstoßen. Der Bauträger sei weder Unternehmer i.S.d. Norm, noch handele es sich um einen von ihm geschuldeten Umsatzsteuerbetrag. Gegen diese Entscheidung ist ein Revisionsverfahren anhängig – V R 16/16.

3.2. FG Münster, Urt. v. 15.03.2016 – 15 K 3669/15 U
In einem zweiten Urteil trifft das FG Münster interessante Aussagen zu § 27 Abs. 19 UStG. Kläger war der Bauleistende, der den nachgeforderten Steuerbetrag bereits ans Finanzamt abgeführt, jedoch keine berichtigten Rechnungen ausgestellt hatte. Er begehrte die Annahme der Abtretungserklärung. Das FG leitete aus § 27 Abs. 19 S. 3 UStG einen Anspruch auf Annahme der Abtretungserklärung ab. Ein Ermessen der Behörde bestehe nicht. Die Abtretung sei zulässig, auch wenn Bauleistender und Bauträger ein Abtretungsverbot vereinbart hätten. Da es sich bei diesen beiden um Kaufleute handle, sei eine Abtretung gem. § 354a Abs. 1 HGB dennoch zulässig. Auch eine vom Bauträger bestrittene Forderung könne abgetreten werden. Das Finanzamt müsse dann mit dem Bauträger im Rahmen eines Zivilrechtsstreits klären, ob die Forderung besteht. Der Abtretung stehe auch nicht entgegen, dass der Bauleistende die Umsatzsteuer zuvor bereits ans Finanzamt bezahlt hatte. Er könne diese Zahlung durch die spätere Abtretung ersetzen. Berichtigte Rechnungen sind aus Sicht des FG zwar keine Voraussetzung für die Abtretung. Sie hätten jedoch Bedeutung für die Erfüllungswirkung der Abtretung. Auch gegen diese Entscheidung läuft ein Revisionsverfahren – V R 24/16.

4. Zivilgerichtliche Entscheidung
Die Zivilgerichte sind zunehmend mit der Frage befasst, ob der Bauleistende einen zivilrechtlichen Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer gegen den Bauträger hat. Das LG Düsseldorf hat in einem Urteil v. 05.02.2016 – 33 O 86/15 einen solchen Anspruch verneint. Das Land hatte gegen den Bauträger auf Zahlung der abgetretenen Umsatzsteuerforderung geklagt. Da vertraglich klar vereinbart war, dass der Bauträger die Umsatzsteuer schuldet, verneinte das LG eine ergänzende Vertragsauslegung. § 313 BGB sei ebenfalls nicht einschlägig. Es sei den Beteiligten nicht unzumutbar, am ursprünglichen Vertrag festzuhalten. Dies müsse stets anhand einer Interessenabwägung im Einzelfall bestimmt werden. Im Urteilsfall hatte der Bauträger einen Erstattungsantrag gestellt, bevor der Gesetzgeber § 27 Abs. 19 UStG geschaffen hatte.

5. Fazit
Der Beschluss des BFH bringt weitere Rechtsunsicherheit. In Kürze wird diesbezüglich ein BMF-Schreiben ergehen. Bis dahin sollten Bauträger an den Erstattungsanträgen festhalten. Bauleistende können sich auf den Beschluss des BFH berufen, solange sie vom Bauträger die Umsatzsteuer noch nicht vereinnahmt haben. Ihnen sollte zumindest AdV gewährt werden.

Ansprechpartner:

Thomas Streit, LL.M. Eur.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Stand: 30.05.2016