Umsatzsteuer Newsletter 16/2013
Gelangensbestätigung 2.0 - Teil 2
Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen erlaubt der Gesetzgeber neben der Gelangensbestätigung auch eine Reihe von Alternativnachweisen. Mit diesen setzt sich der 2. Teil unseres Newsletters zur Nachweisführung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auseinander.


3.
Die Alternativnachweise

§ 17a Abs. 3 UStDV sieht insgesamt sieben Alternativnachweise vor, die in bestimmten Fällen an die Stelle der Gelangensbestätigung treten können.

3.1 Allgemeine Regelungen

Allgemein gelten die Regelungen für die Gelangensbestätigung (im Hinblick auf Form, Sprache, elektronische Übermittlung und die Möglichkeit, Sammelbestätigungen auszuzustellen) auch für die Alternativnachweise.

3.2 Versendungsbeleg, insbesondere Frachtbrief (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 1a UStDV)

Im Falle der Versendung durch den Lieferer oder den Abnehmer kann der Nachweis durch einen Versendungsbeleg, insbesondere einen handelsrechtlichen Frachtbrief, geführt werden. Dieser muss sowohl die Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers (= CMR-Feld 22) als auch die Unterschrift des Empfängers als Bestätigung des Erhalts des Liefergegenstands (= CMR-Feld 24) enthalten. Eine Vertretung ist in beiden Fällen möglich, wobei die Berechtigung hierzu glaubhaft zu machen ist.

3.3 Spediteurbescheinigung (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 1b UStDV)

Im Falle der Versendung durch den Lieferer oder Abnehmer kann der Nachweis auch durch eine sog. Spediteur-
bescheinigung geführt werden (frühere „weiße Spediteurbescheinigung“). Darin muss insbesondere der Monat des Transportendes angegeben werden. Sie ist daher erst nach Abschluss des Transports ausstellbar.

Nach dem BMF-Muster hat der Spediteur mit seiner Unterschrift zu versichern, dass er über ein Doppel der schriftlichen Bestätigung des Abnehmers über den Erhalt des Liefergegenstandes verfügt. Faktisch versichert er damit, über eine Gelangensbestätigung zu verfügen. Dies birgt Haftungsrisiken für den Spediteur. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis darauf einstellen wird.

3.4 Spediteurversicherung (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 UStDV)

Nur bei Versendung durch den Abnehmer kann der Nachweis durch eine sog. Spediteurversicherung geführt werden. Entgegen der Grundkonzeption genügt hierfür die bloße Versicherung des Spediteurs, dass er den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird. Hintergrund dieser Regelung ist es, dass der Lieferer im Falle der Versendung durch den Abnehmer keine vertragliche Beziehung mit dem Spediteur hat, auf deren Grundlage er den Erhalt eines Nachweises nachträglich durchsetzen kann.

Gerade weil die Spediteurversicherung aber schon zu Beginn des Transports ausgestellt werden kann, kommt ihr eine geringere Beweiskraft als den anderen Nachweisformen zu: Bei begründeten Zweifeln kann das Finanzamt andere Nachweise verlangen.

Zusätzlich muss neben der Spediteurversicherung nachgewiesen werden, dass die Gegenleistung von einem Bankkonto des Abnehmers entrichtet wurde. Neben inländischen oder ausländischen Bankkonten fallen nach dem Entwurf des BMF-Schreibens auch inländische Konzernverrechnungskonten sowie die Verrechnung über ein internes Abrechnungssystem bei verbundenen Unternehmen (Inter Company Clearing) darunter. Nicht erfasst sind bislang aber z. B. die Fälle, in denen ein externer Zahlungsdienstleister eingeschaltet wird (z. B. Zentralregulierer), die Gegenleistung nicht in Geld besteht (z. B. Tauschfälle) oder es aus anderen Gründen zu keinem Geldfluss kommt
(z. B. Aufrechnungsfälle). Dagegen dürfte Factoring möglich bleiben, da nur die Zahlung vom Abnehmer, nicht aber zwingend an den Liefererverlangt wird. In der Praxis muss jedoch sichergestellt werden, dass der Lieferer vom Factoringunternehmen einen Nachweis über den Zahlungseingang von einem Bankkonto des Abnehmers erhält.

3.5  Tracking and Tracing (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 1c UStDV)

Im Falle der Versendung durch den Lieferer oder den Abnehmer mithilfe eines Kurierdienstleister kann der Nachweis durch ein Tracking-and-Tracing-Protokoll geführt werden. Dieses Protokoll muss den Transport nachvollziehbar bis zur Ablieferung beim Empfänger nachweisen sowie Monat und Ort des Transportendes enthalten. Eine Unterschrift ist nicht erforderlich. Das Protokoll kann elektronisch oder als Ausdruck archiviert werden.

Zusätzlich muss eine schriftliche oder elektronische Auftragserteilung vorgelegt werden. Diese Auftragserteilung muss u. a. die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände sowie den Wert der einzelnen Gegenstände enthalten. Ein bloßer Verweis auf die Rechnung genügt insoweit nach dem Entwurf des BMF-Schreibens – anders als bei Postsendungen (s. u.) – nicht.

3.6 Postsendungen (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 1d UStDV)

Bei Postsendungen, bei denen ein Tracking-and-Tracing-Protokoll nicht möglich ist, kann im Falle der Versendung durch den Lieferer oder Abnehmer der Nachweis durch eine Empfangsbescheinigung des Postdienstleisters in Verbindung mit einem Nachweis über die Bezahlung der Lieferung geführt werden.

Erfreulich ist, dass die notwendigen Angaben in der Empfangsbescheinigung (z. B. handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände) durch einen Verweis auf die Rechnung ersetzt werden können. Auch muss die Bezahlung nicht von einem Bankkonto des Abnehmers erfolgen. Bei Bargeschäften genügt ein Doppel der Zahlungsquittierung.

3.7 KFZ-Zulassung (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 5 UStDV)

Bei Lieferung eines KFZ, das durch den Abnehmer befördert wird, kann der Nachweis auch durch die Zulassung im Bestimmungsland geführt werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Zulassung zwingend auf den Abnehmer (also z. B. den ausländischen Autohändler) erfolgen muss. Eine Zulassung auf den Enderwerber genügt nicht.

3.8 Sonderfälle

Alternativnachweise bestehen überdies bei der Nutzung des gemeinschaftlichen Versandverfahrens (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 3 UStDV) und bei verbrauchssteuerpflichtigen Waren (§ 17a Abs. 3 S. 1 Nr. 4 UStDV).

4. Objektiver Nachweis stets möglich, aber bislang keine Escape-Klausel

Sollte im Einzelfall trotz aller Anstrengungen ein Nachweis nicht zu erlangen sein, wird dadurch die innergemeinschaftliche Lieferung nicht automatisch steuerpflichtig. Denn der Nachweis stellt keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung vor. Der Lieferer kann deshalb mit allen geeigneten Beweismitteln nachweisen, dass der Liefergegenstand tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist.

Realistisch betrachtet wird solch ein objektiver Nachweis wohl aber nur selten möglich sein. Genau für diesen Fall – der Lieferer tut alles, um den Nachweis zu erhalten, schafft es aber dennoch nicht– wäre es wünschenswert, wenn das BMF-Schreiben um eine sog. Escape-Klausel ergänzt würde. Denkbar wäre es etwa, das Gelangen in das übrige Gemeinschaftsgebiet anzunehmen, wenn der Unternehmer nachweist, dass er mehrfach vergeblich versucht hat, eine Gelangensbestätigung zu erhalten.

5. Praktische Umsetzung

In den verbleibenden drei Monaten bis zum Inkrafttreten der Neuregelung gilt es, die Prozesse im eigenen Unternehmen zu analysieren und an die neuen Anforderungen anzupassen.

5.1 Analyse und Entscheidung für Nachweisform

Im Rahmen einer Bestandsaufnahme ist zunächst zu prüfen, in welche Länder innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt werden und wie der Transport erfolgt. Ausgehend davon ist zu entscheiden, welche Nachweisformen künftig genutzt werden sollen.

5.2 Implementierung

Für die meisten Unternehmen wird es hierbei wohl auf die Gelangensbestätigung hinauslaufen, insbesondere in Form der Sammelbestätigung. Grundsätzlich genügt dafür zwar eine einfache E-Mail mit den entsprechenden Daten. In der Praxis bedarf es aber einer Einbindung in das ERP-System. Eine entsprechende Softwarelösung sollte ausgehende Gelangensbestätigungen automatisch aus den Belegen erstellen und an den Kunden versenden. Spiegelbildlich sollten eingehende Gelangensbestätigungen automatisch in den Belegfluss integriert, archiviert und über einen Statusmonitor überwacht werden.

6. Anpassung der AGB

Aus zivilrechtlicher Sicht dürfte ein Anspruch aus § 241 Abs. 2 BGB gegen den Kunden auf Ausstellung einer Gelangensbestätigung oder eines Alternativnachweises bestehen. Dennoch sollte diese Pflicht ausdrücklich in die AGB aufgenommen werden.

Ansprechpartner:

Dr. Stefan Maunz
Rechtsanwalt, Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 40
stefan.maunz@kmlz.de

Stand: 04.07.2013