1 Hintergrund
Am 30.03.2021 wurde das Siebte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen im BGBl. veröffentlicht. Damit setzte der Gesetzgeber vor allem die Änderungen der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie (EU 2020/262 vom 19.12.2019) und der Alkoholsteuer-Strukturrichtlinie (EU 2020/1151 vom 29.07.2020) in nationales Recht um. Folgende wesentlichen Neuerungen treten am 13.02.2023 in Kraft: die Erweiterung des sog. EMCS („Excise Movement and Control System“) auf die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren des steuerrechtlich freien Verkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, Heilungsmöglichkeiten bei geringfügigen Verfahrensabweichungen auch im Genussmittelbereich sowie Änderungen bei der Steuererhebung im Versandhandel mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren. Die Änderungen betreffen die unionsrechtlich harmonisierten Verbrauchsteuern auf Tabakwaren, Alkoholerzeugnisse, Schaumwein und Zwischenerzeugnisse, Bier sowie Energieerzeugnisse. Die nationalen Regelungen für Kaffee und Alkopops (nicht harmonisiert) wurden teilweise bereits früher geändert. Die deutsche Zollverwaltung erließ am 31.01.2023 ein entsprechendes Informationsschreiben.
2 Erweiterung des EMCS auf verbrauchsteuerpflichtige Waren des steuerrechtlich freien Verkehrs
Das EMCS ist ein IT-gestütztes Beförderungs- und Kontrollsystem zur Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung. Ab dem 13.02.2023 wird auch die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu gewerblichen Zwecken (mit Ausnahme der Substitute für Tabakwaren) im steuerrechtlich freien Verkehr zwischen EU-Mitgliedstaaten zwingend über das EMCS erfolgen. Bislang erfolgte diese Beförderung unter Mitführung eines sog. vereinfachten Begleitdokuments in Papierform. Im Rahmen des EMCS ersetzt das elektronische Verwaltungsdokument (e-VD) gemäß Art. 36 der neugefassten RL EU 2020/262 das vereinfachte Begleitdokument. Der Versender und der Empfänger der Ware müssen zur Beförderung über das EMCS zusätzlich den Status als sog. zertifizierter Versender bzw. zertifizierter Empfänger aufweisen. Dafür ist eine Erlaubnis zzgl. Sicherheitsleistung erforderlich. Bei Steuerlagerinhabern, registrierten Empfängern mit Dauererlaubnis sowie registrierten Versendern genügen Anzeige und Sicherheitsleistung. Bei ihnen gilt die Erlaubnis als zertifizierter Empfänger / Versender als erteilt. Zur Nutzung der Internet-EMCS-Anwendung (IEA) ist eine vorherige Registrierung im Bürger- und Geschäftskundenportal des Zolls (BuG) erforderlich. Die Details zur Nutzung des EMCS ergeben sich aus der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1637 (DVO-EMCS) und aus der delegierten Verordnung (EU) 2022/1636 (delV-EMCS), die unmittelbar gelten. Ein sog. Ausfallverfahren ist ebenfalls vorgesehen.
3 Versandhandel
Bisher musste ein Versandhändler mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bei einer Lieferung an Privatpersonen im deutschen Steuergebiet zwingend eine in Deutschland ansässige Person als Beauftragten benennen. Der Beauftragte musste eine Erlaubnis beantragen, Aufzeichnungen über die Lieferungen führen, dem Hauptzollamt jede Lieferung vorher anzeigen und eine Sicherheitsleistung für die entstehende Steuer erbringen. Steuerschuldner war nicht der Versandhändler, sondern der Beauftragte. Ab dem 13.02.2023 kann der Versandhändler diese Pflichten auch selbst erfüllen. Daneben bleibt die Möglichkeit, einen in Deutschland ansässigen „Steuervertreter“ zu benennen, weiterhin bestehen. Hat der Versandhändler einen Steuervertreter benannt, ist der Vertreter zwingend der Steuerschuldner. Erfüllt der Versandhändler die Verpflichtungen selbst, schuldet er die Verbrauchsteuer. Der Erwerb von Tabakwaren und von Substituten für Tabakwaren aus dem steuerrechtlich freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten durch Privatpersonen ist weiterhin nicht erlaubt. Auch bei Wein gelten Besonderheiten.
4 Heilungsmöglichkeiten im Steueraussetzungsverfahren
Kommt es während der Beförderung unter Steueraussetzung zu Unregelmäßigkeiten und kann die Beförderung deshalb nicht ordnungsgemäß beendet werden, entsteht grundsätzlich die Verbrauchsteuer. Im Energiesteuerrecht hat der Gesetzgeber bereits mit Wirkung zum 01.07.2019 in bestimmten Fällen Ausnahmen von der Steuerentstehung vorgesehen. Diese Heilungsmöglichkeiten gibt es ab dem 13.02.2023 nun auch im Genussmittelbereich. Danach entsteht die Steuer trotz Unregelmäßigkeit nicht, wenn die Waren zu Personen gelangen, die zum Empfang unter Steueraussetzung berechtigt sind. Die Steuer entsteht auch dann nicht, wenn es zu einer ordnungsgemäßen Ausfuhr der Waren, einem kurzfristigen Grenzübertritt oder einem Bestimmungsortwechsel gekommen ist. Der Versender muss das Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestands innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Beginn der Beförderung nachweisen. Außerdem dürfen keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen. Daneben besteht die Möglichkeit einer Steuerentlastung bei geringfügigen Verfahrensabweichungen im Steueraussetzungsverfahren.
5 Praxishinweis
Mit der Erweiterung des EMCS geht der Gesetzgeber einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung des Verbrauchsteuerverfahrens. Die Zollverwaltung kann die Beförderung im steuerrechtlich freien Verkehr durch elektronisch übermittelte Echtzeitdaten besser überwachen. Für die Unternehmen bedeutet dies zunächst einen Mehraufwand für die Prozessumstellung. Auf der anderen Seite wird die Erweiterung der Heilungstatbestände zu einer wirtschaftlichen Entlastung der Unternehmen führen. Sie müssen keine Verbrauchsteuern mehr zahlen, wenn es zu Verfahrensverstößen während der Beförderung unter Steueraussetzung kommt und die Waren dem Steueraussetzungsverfahren tatsächlich nicht entzogen wurden. Nach den Änderungen im Versandhandel müssen Unternehmer aus dem EU-Ausland nicht mehr zwingend einen Dritten beauftragen, was ihnen den Zugang zum deutschen Markt erleichtert. Auch deutsche Versandhändler können profitieren, da andere Mitgliedstaaten ihre Versandhandelsregelungen ebenfalls geändert haben.
Ansprechpartnerin:
Dobrinka Atanasova
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht
+49 (0) 89 217501255
Stand: 13.02.2023