Umsatzsteuer Newsletter 56/2022
EuGH zur Rechnungsberichtigung bei „missglückten“ Dreiecksgeschäften
Nach Ansicht des EuGH in der Rs. Luxury Trust Automobil (Rs. C-247/21) setzt die Dreiecksgeschäftsregelung zwingend voraus, dass der Zwischenerwerber in seiner Rechnung auf die Steuerschuldnerschaft des Erwerbers hinweist. Damit verlässt der EuGH den eingeschlagenen Pfad, Rechnungsangaben lediglich formelle Bedeutung beizumessen. „Missglückte“ Dreiecksgeschäfte sind nicht rückwirkend heilbar. Deutsche Finanzgerichte hatten diese Frage zuletzt uneinheitlich beantwortet. Nicht endgültig geklärt ist, ob Dreiecksgeschäfte zumindest nachträglich möglich sind – wenn auch ohne Rückwirkung. Die nächsten Vorlageverfahren sind damit vorprogrammiert.
1 Hintergrund
Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft ist eine Vereinfachungsregelung für bestimmte Reihengeschäfte. Bei einem Reihengeschäft mit warenbewegter erster Lieferung wird der Zwischenerwerber dem Grunde nach im Bestimmungsland registrierungspflichtig. Tritt der mittlere Unternehmer mit der USt-IdNr. seines Sitzstaates auf, kommt überdies die Straferwerbsteuer des § 3d Satz 2 UStG (Art. 41 MwStSystRL) zur Anwendung.
 
Die Dreiecksgeschäftsregelung i. S. d. § 25b UStG (Art. 42, 197 MwStSystRL) bewirkt, dass sich der Zwischenerwerber bei einem Reihengeschäft mit drei Unternehmern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten nicht im Bestimmungsland registrieren muss. Dies folgt daraus, dass die Steuerschuld im Bestimmungsland auf den Erwerber übergeht und der innergemeinschaftliche Erwerb dort als besteuert gilt. Die Regelung kann nur dann zum Tragen kommen, wenn der mittlere Unternehmer eine ordnungsgemäße ZM abgibt und in seiner Rechnung sowohl auf die Anwendung der Dreiecksgeschäftsregelung als auch auf den Steuerschuldübergang hinweist. Ob „missglückte“ Dreiecksgeschäfte mit Rückwirkung heilbar sind, wurde durch deutsche Finanzgerichte zuletzt uneinheitlich bewertet (ablehnend: FG Köln, Az. 8 K 250/17; zustimmend: FG Münster, Az. 15 K 1219/17 U, FG Rheinland-Pfalz, Az. 6 K 1767/17 – beide anhängig).
 
2 Sachverhalt und Vorlagefragen
Die österreichische Luxury Trust Automobil erwarb in Großbritannien (im Streitjahr 2014) Fahrzeuge und veräußerte diese an ein Unternehmen mit Sitz in Tschechien. Die drei beteiligten Unternehmer traten jeweils mit der USt-IdNr. ihres Heimatstaates auf. Die Fahrzeuge gelangten direkt vom britischen Lieferanten, der auch den Transport veranlasste, zum Empfänger in Tschechien. Luxury Trust Automobil behandelte die Umsätze als Dreiecksgeschäft und meldete dies entsprechend in der ZM. Die Rechnungen beinhalteten den Hinweis „steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft“, erwähnten jedoch nicht den Übergang der Steuerschuld auf den tschechischen Erwerber. Später wurde der Hinweis in berichtigten Rechnungen ergänzt, die dem Kunden jedoch nicht nachweisbar zugingen.
 
Das Finanzamt verneinte das Dreiecksgeschäft mangels Hinweis auf den Steuerschuldübergang und setzte die Straferwerbsteuer fest. Das Bundesfinanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Über die nachträgliche Anwendung der Sonderregelung sei wegen des fehlenden Belegs über die Zustellung der Korrekturen nicht zu urteilen. Der Verwaltungsgerichtshof legte dem EuGH schließlich – vereinfacht – folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
1. Genügt in der Rechnung der Hinweis auf ein steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft, um den Enderwerber wirksam als Steuerschuldner zu bestimmen?
2. Kann die Rechnungsangabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ rückwirkend ergänzt werden?
3. Sind die Rechnungsvorgaben des Mitgliedstaats des Zwischenerwerbers oder des Enderwerbers anzuwenden?
 
3 Entscheidung des EuGH
Das Gericht lässt den bloßen Hinweis auf ein steuerfreies Dreiecksgeschäft ohne gleichzeitigen Verweis auf den Übergang der Steuerschuld zur Annahme eines Dreiecksgeschäfts nicht genügen und verweist auf die Feststellungen in der Rs. Firma Hans Bühler (C-580/16, KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 18 | 2018). Demnach stellt Art. 42 Buchst. a MwStSystRL eine materielle Voraussetzung des Dreiecksgeschäfts dar. Dieser fordert i. V. m. Art. 197 MwStSystRL eine Rechnung, die Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5 entspricht, wozu auch Art. 226 MwStSystRL zählt. Der Richtliniengeber habe in Art. 226 Nr. 11a MwStSystRL explizit die Rechnungspflichtangabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ bestimmt. Eine Auslegung entgegen dem eindeutigen Wortlaut sei daher nicht möglich. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung, den Rechnungsadressaten über die rechtliche Bewertung des Umsatzes zu informieren.
 
Eine Rechnungsberichtigung, bei der die Folgen des Dreiecksgeschäfts auf die Erstrechnung zurückwirken, lehnt der EuGH ab. Das nachträgliche, erstmalige Erfüllen einer materiellen Voraussetzung stelle keine Korrektur dar. Das Gericht verweist insoweit auf die Schlussanträge der GA’in Kokott. Diese hatte für den entsprechenden Fall das Eintreten der Rechtsfolgen der Dreiecksgeschäftsregelung nachträglich, aber ohne Rückwirkung (ex nunc), bejaht. Die dritte Vorlagefrage blieb unbeantwortet, da das Gericht die Anwendung der Vereinfachungsregelung verneinte.
 
4 Auswirkungen auf die Praxis
Der EuGH stellt unmissverständlich klar: Ohne ordnungsgemäße Rechnung kein Dreiecksgeschäft! Damit verlässt das Gericht den eingeschlagenen Pfad, Rechnungsangaben lediglich formelle Bedeutung beizumessen. Die Frage der Rechnung für Dreiecksgeschäfte bleibt damit in der Praxis sehr bedeutsam. Wer das Wahlrecht in Anspruch nehmen möchte, sollte angesichts der ansonsten eintretenden Rechtsfolgen penibel auf die Erfüllung der Vorgaben achten.
 
Hoffnung kann sich machen, wer mangels Rechnungshinweis die materiellen Voraussetzungen eines Dreiecksgeschäfts nicht erfüllt. Es besteht keine unionsrechtliche Frist, innerhalb derer das Dreiecksgeschäft in Anspruch genommen werden müsste. Die Voraussetzungen können wohl auch nach Erteilung einer unzureichenden Erstrechnung noch erfüllt werden, allerdings ohne Rückwirkung. Leider wurde diese Erkenntnis nicht explizit in den Urteilstenor aufgenommen. Es stellt sich auch die Frage, welche verfahrensrechtlichen Folgen in Bezug auf die Steuerpflicht im Mitgliedstaat des Letzterwerbers eintreten. Die nächsten Vorlageverfahren sind daher vorprogrammiert. Entsprechende Fälle sollten offengehalten werden.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Markus Müller, LL.M.
Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
 
Stand: 19.12.2022