Umsatzsteuer Newsletter 39/2022
JStG 2022-Entwurf: Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen
Der Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2022 sieht einen umsatzsteuerlichen Befreiungsschlag beim Kauf einer (privaten) Photovoltaikanlage vor. So soll insbesondere bei kleineren PV-Anlagen ab dem 1.1.2023 ein sog. Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation von Solarmodulen greifen. Wird heute eine PV-Anlage bestellt, wird sie voraussichtlich erst in 2023 geliefert werden können. Der Lieferant / Installateur muss sich daher schon heute mit der Neuregelung auseinandersetzen.
1 Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022-Entwurf)
Laut Regierungsentwurf des JStG 2022 (BR-Drucks. 457/22 v. 16.9.2022) soll in § 12 UStG ein neuer Absatz 3 aufgenommen werden. Demnach soll u. a. ein Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation von Solarmodulen zur Anwendung kommen, wenn die Bruttoleistung der Photovoltaikanlage (PV-Anlage) nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt. Nullsteuersatz bedeutet, dass der Lieferant / Installateur keine Umsatzsteuer schuldet (Steuersatz 0 %), aber gleichwohl für seine Eingangsleistungen Vorsteuern abziehen kann. Die Neuregelung soll am 01.01.2023 in Kraft treten, wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen.
 
2 Bisher werden Betreiber privater PV-Anlagen in die Umsatzsteuerpflicht gezwungen
Wer auf seinem Haus eine PV-Anlage installieren lässt, kann sich in der Regel die Umsatzsteuer von 19 % nur dann als Vorsteuer vom Finanzamt erstatten lassen, wenn er auf die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) verzichtet (sog. Option zur Regelbesteuerung). Übt der Anlagenbetreiber diese Option zur Regelbesteuerung aus, ist er hieran mindestens fünf Jahre lang gebunden. In dieser Zeit muss er – wie jeder andere Unternehmer auch – Umsatzsteuererklärungen abgeben. Das schreckt viele Betreiber von PV-Anlagen ab. 
 
3 Nullsteuersatz als Novum und als Befreiungsschlag 
Der geplante Nullsteuersatz stellt ein Novum im deutschen Umsatzsteuerrecht dar. Die Lieferung und Installation von kleineren PV-Anlagen wird ab dem Jahreswechsel mit einem Umsatzsteuersatz von 0 % besteuert, es fällt also keine Umsatzsteuer an. Gleichwohl kann der Lieferant / Installateur für seine Eingangsleistungen (z.B. aus dem Einkauf der Solarmodule) Vorsteuern abziehen. Bis dato hat der deutsche Gesetzgeber dieses Ziel über echte Steuerbefreiungen erreicht. Dabei wird der eigentlich vorgesehene Ausschluss des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG) über die Rückausnahme des § 15 Abs. 3 Nr. 1 UStG aufgehoben. Vor dem Hintergrund dieser bewährten Regelung zu echten Steuerbefreiungen (mit Vorsteuerabzug) kann man sich natürlich fragen, was den deutschen Gesetzgeber dazu bewogen hat, jetzt den neuen Weg über den Nullsteuersatz einzuschlagen. 
 
Abgesehen von dieser Kritik an der gesetzgeberischen Regelungstechnik ist die Neuregelung sehr positiv zu bewerten:  Der Nullsteuersatz führt für private Betreiber von PV-Anlagen zu einem Befreiungsschlag. Die Lieferung und die Installation der PV-Anlage sind für den Betreiber mit keiner Umsatzsteuerbelastung verbunden, so dass dieser nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichten muss. Eines Vorsteuerabzugs bedarf es nicht mehr, da die PV-Anlage nicht mit 19 % Umsatzsteuer belastet ist. Und damit entfällt auch die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen für die kommenden fünf Jahre. 
 
4 Änderung der MwStSystRL
Der geplante Nullsteuersatz für PV-Anlagen ist erst durch eine Änderung der MwStSystRL vom April 2022 möglich geworden. Nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL kann zusätzlich zu zwei ermäßigten Steuersätzen auch eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug (Nullsteuersatz) gewährt werden. Dies aber nur für Lieferungen und Dienstleistungen, die im Anhang III zur MwStSystRL aufgeführt sind. In Nr. 10c des Anhangs III geht es um die „Lieferung und Installation von Solarpaneelen auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden“.
 
5 Umsetzung in § 12 Abs. 3 UStG-Entwurf
Der geplante Nullsteuersatz soll zunächst für Lieferungen von Solarmodulen (einschließlich Stromspeicher) an Betreiber gelten, wenn die PV-Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit genutzt werden, installiert wird. Damit greift der deutsche Gesetzgeber die Formulierung in Anhang III zur MwStSystRL auf. Darüber hinausgehend sieht der Entwurf diese Voraussetzungen als erfüllt an, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird. Diese Regelung verhindert in einem Großteil der Fälle, dass sich der Lieferant beim Betreiber der PV-Anlage über die Nutzungsart des Gebäudes informieren muss. Neben der Lieferung soll auch die Installation von PV-Anlagen und -Speichern von der Neuregelung profitieren. Und nicht nur die Lieferungen innerhalb Deutschlands werden vom Nullsteuersatz erfasst, sondern es sind auch die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Solarmodulen und Stromspeichern begünstigt. Der Nullsteuersatz kann auch für PV-Anlagen über 30 kW (peak) gelten, wenn die Anlage in der Nähe von Wohnungen etc. installiert wird.
 
6 Bestellung in 2022, Lieferung / Installation in 2023
Wer heute eine PV-Anlage bestellt, wird sie voraussichtlich erst in 2023 geliefert / installiert bekommen. Bei der Bestellung sollten private Betreiber einer PV-Anlage in jedem Fall darauf achten, dass der leistende Unternehmer den Vorteil des Nullbesteuerung auch weitergibt. Denn nach der gesetzlichen Regelung des § 29 UStG ist er dazu nur dann verpflichtet, wenn zwischen dem Vertragsschluss und dem Inkrafttreten des Gesetzes mindestens vier Monate liegen. Wurde die PV-Anlage also vor dem 01.09.2022 bestellt, besteht kein Handlungsbedarf. Wer jedoch zwischen dem 01.09. und dem 31.12.2022 bestellt, sollte mit einem vertraglichen Zusatz gewährleisten, dass der vereinbarte Bruttopreis bei Lieferung / Installation nach dem 31.12.2022 um die nun entfallenden 19 % Umsatzsteuer reduziert wird. 
 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Oliver Zugmaier
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501260
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liver.zugmaier@kmlz.de

Stand: 23.11.2022