Umsatzsteuer Newsletter 21/2023
BMF: Steuerschuld nach § 14c UStG auch bei Ausweis negativer Umsatzsteuerbeträge möglich
Ein negativer Steuerbetrag, der in einer Rechnung ausgewiesen wird – beispielsweise als Entgeltminderung in Form eines Bonus –, begründet keine Steuerschuld nach § 14c UStG. So jedenfalls hatte es der BFH mit Urteil vom 26.06.2019 (XI R 5/18) entschieden. Das BMF sieht die Dinge gemäß seinem Schreiben vom 18.04.2023 nun differenzierter: Die Aussage des BFH soll nur dann gelten, wenn der Rechnungsaussteller tatsächlich über eine Entgeltminderung abrechnet. Rechnet er mit einem Negativbetrag hingegen (unberechtigt) über eine Leistung ab, die er vermeintlich erbracht hat, soll dies eine Steuerschuld nach § 14c UStG begründen. Bei Abrechnung mittels Gutschrift ist aus Sicht des BMF das Urteil des BFH ebenfalls nicht anwendbar, sodass auch hier eine Steuerschuld nach § 14c UStG entstehen kann.
1 Hintergrund
Bisweilen enthalten Rechnungen auch negative Rechnungsbeträge und einen entsprechenden negativen Umsatzsteuerausweis (beispielsweise mit einem Minuszeichen versehen). Dabei kann es sich um Rechnungen handeln, die ausschließlich einen negativen Betrag ausweisen. Es können aber auch Rechnungen sein, die sowohl einen positiven als auch einen negativen Teilbetrag beinhalten: Der Positivbetrag zeigt den Zahlungsanspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger. Der Negativbetrag zeigt einen gegenläufigen Zahlungsanspruch, also einen Anspruch des Leistungsempfängers gegen den Leistenden. Ursache hierfür kann sein, dass der Leistende dem Leistungsempfänger einen Preisnachlass gewährt, z.B. eine Rückvergütung, einen Bonus etc. Ursache kann aber auch sein, dass die Parteien davon ausgehen, der Leistungsempfänger (z.B. Käufer einer Ware) habe seinerseits eine Leistung (z.B. Werbeleistung an den Verkäufer der Ware) erbracht. Dabei stellt sich die Frage, ob auch ein mit einem Minuszeichen versehener, also negativer Umsatzsteuerbetrag eine Steuerschuld nach § 14c UStG begründen kann. Hierzu äußert sich nun das BMF in seinem Schreiben vom 18.04.2023. Anlass des aktuellen BMF-Schreibens ist eine Entscheidung des BFH vom 26.06.2019.
 
2 BFH-Urteil vom 26.06.2019
In dem vom BFH entschiedenen Fall (XI R 5/18) hatte der Leistende als „Belastungen“ bezeichnete Abrechnungsdokumente ausgestellt. Darin rechnete er „WKZ gemäß Vereinbarung Bonus AC Monat …“ ab. Die folgenden Beträge inkl. der ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge waren jeweils nach dem €-Zeichen mit einem Minuszeichen gekennzeichnet. Der Leistende führte diesen Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt ab, der Leistungsempfänger nahm den Vorsteuerabzug vor. Tatsächlich war nur etwa die Hälfte der Beträge Entgelt einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung. Im Übrigen lag eine Entgeltminderung vor. Bezüglich der Umsatzsteuerbeträge auf die Entgeltminderung begehrte der Insolvenzverwalter des Leistenden eine Erstattung vom Finanzamt zugunsten der Insolvenzmasse aus einer §14c-Korrektur. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Erstattung mit der Begründung ab, dass keine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliege, damit ein entsprechender Erstattungsanspruch ausgeschlossen sei. Auch aus Sicht des BFH begründeten die ausgewiesenen Negativbeträge keine Steuerschuld nach § 14c UStG.
 
3 BMF-Schreiben vom 18.04.2023
Das BMF ändert nun den UStAE und gibt den Finanzämtern vor, wie sie mit diesem Urteil umgehen sollen:
  • Soll ein Minuszeichen in einer Rechnung ausdrücken, dass der Rechnungsaussteller über eine Entgeltminderung abrechnet, schuldet der Leistende den negativen Betrag nach § 14c UStG nicht. 
  • Soweit der Leistende allerdings (unberechtigt) über eine (angeblich) erbrachte Leistung abrechnet und der offen ausgewiesene Betrag ein Minuszeichen enthält, soll § 14c UStG anwendbar sein. Das BMF geht davon aus, dass in diesem Fall die Grundsätze der Entscheidung des BFH nicht anwendbar sind, da kein „negativer Betrag“ in diesem Sinne ausgewiesen ist. Das Minuszeichen drücke lediglich eine Zahlungsverpflichtung aus. In diesem Rahmen dürfen die Finanzbehörden auch nur dann weitere Dokumente in die rechtliche Prüfung einbeziehen, wenn das Rechnungsdokument ausdrücklich auf diese verweist. 
  • Auch auf Gutschriften sei die Entscheidung des BFH nicht anwendbar, wenn hier ebenfalls (unberechtigt) über eine vermeintlich erbrachte Leistung abgerechnet wird. Hier kann sich eine Steuerschuld nach § 14c UStG für den Empfänger der Gutschrift, also den vermeintlich Leistenden ergeben. 
  • Das Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden.
4 Einordnung und Praxistipp
Soweit das BMF bei einer Rechnung über Entgeltminderungen (z.B. Rückvergütungen, Rabatte etc.) mit einem negativen Umsatzsteuerbetrag eine Steuerschuld nach § 14c UStG ablehnt, liegt es auf der Linie des BFH. Soweit es bei einer Abrechnung über eine vermeintliche Leistung mit negativem Umsatzsteuerbetrag eine Steuerschuld nach § 14c UStG annimmt, ist diese Sichtweise vom BFH jedenfalls nicht bestätigt. Im Gegenteil: Die Argumente, die der BFH gegen eine Anwendung des § 14c UStG auf einen Negativbetrag verwendet, sprechen eher dafür, dass ein negativer Umsatzsteuerbetrag auch jenseits der Entgeltminderung keine Steuerschuld nach § 14c UStG auslöst: Ein negativer Betrag ist kein „Mehrbetrag“ i.S.d. § 14c UStG und keine „Mehrwertsteuer“ i.S.d. Art. 203 MwStSystRL. Auch widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 14c UStG, wenn ein negativer Steuerbetrag eine negative Steuerschuld nach § 14c UStG, also gleichsam einen Erstattungsanspruch zugunsten des Leistenden auslösen würde. Ob im Fall von Gutschriften etwas anderes gilt, ließ der BFH ausdrücklich offen. Auch in einem anderen Punkt folgt das BMF nicht der Rechtsprechung: Weitere Dokumente seien für die Auslegung des Rechnungsinhalts nur dann heranzuziehen, wenn das Abrechnungsdokument hierauf explizit Bezug nimmt. Dies steht im Widerspruch zur Entscheidung des EuGH in der Rs. Barlis 06 (C-516/14). Danach muss das Finanzamt sämtliche Unterlagen berücksichtigen, die ihm vorliegen. Insofern müssen auch Dokumente bedeutsam sein, auf die das Abrechnungsdokument keinen Bezug nimmt.
 
Das BMF-Schreiben führt zu einer Verkomplizierung der Rechtsanwendung. Leistende und Leistungsempfänger sollten also auch bei Ausweis von Negativbeträgen Vorsicht walten lassen und Rechnungen und Gutschriften gründlich prüfen. Freuen können sich ggf. Insolvenzverwalter, wenn sie auf Basis des BMF-Schreibens aus einer entsprechenden § 14c Korrektur auch bei Negativbeträgen einen Erstattungsanspruch zugunsten der Insolvenzmasse auslösen können.
 
Ansprechpartner:
 

 

Dr. Thomas Streit, LL.M. Eur.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Telefon: +49 89 217501275
thomas.streit@kmlz.de

Stand: 26.04.2023