Umsatzsteuer Newsletter 19/2017
Organisatorische Eingliederung durch Beherrschungsvertrag
Insbesondere in Konzernen ist es problematisch, die organisatorische Eingliederung für eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft herzustellen. Der V. Senat des BFH hat dieses Merkmal zuletzt sehr strikt interpretiert. Nunmehr ist es aber der V. Senat, der mit Urteil vom 10.05.2017 – V R 7/16 festgestellt hat, dass eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung der Geschäftsführungsorgane möglich ist, wenn ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag existiert.

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1. Sachverhalt
Es klagte eine GmbH, die zu 100 % an der C-GmbH beteiligt war. Mit notariellem Vertrag vom 29.10.2007 schloss die Klägerin mit der C-GmbH einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag. Der Eintrag in das Handelsregister erfolgte am 4.12.2007. Alleiniger Geschäftsführer der klagenden GmbH war S, Geschäftsführer der C-GmbH waren T und K. Im Rahmen einer Betriebsprüfung ging das Finanzamt seit dem Streitjahr (2007) von einer Organschaft aus. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass keine organisatorische Eingliederung vorliege. Es fehle an der erforderlichen Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen. Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag könne diese nicht ersetzen. Im Übrigen habe die Klägerin der C-GmbH tatsächlich auch keine Weisungen erteilt.
 
2. Rechtliche Würdigung des BFH
Zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft bedarf es der finanziellen, wirtschaftlichen sowie organisatorischen Eingliederung der Tochtergesellschaft in das Unternehmen der Muttergesellschaft. Der BFH hat vorliegend insbesondere auch die organisatorische Eingliederung anerkannt. Sie sei aufgrund des Beherrschungsvertrags ohne Geschäftsführer-Identität bei Organträger und Organgesellschaft gegeben. Denn eine juristische Person ist organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, wenn der dieser die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss. Unterstellt die juristische Person gemäß § 291 AktG in direkter (bei Aktiengesellschaften) oder analoger Anwendung im GmbH-Recht die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen als dem Organträger, begründet der Beherrschungsvertrag die organisatorische Eingliederung. 
 
Zur GmbH als Organgesellschaft führt der BFH weiter aus, dass zwar auch die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Stellung als Mehrheitsgesellschafter nach § 46 Nr. 6 GmbHG zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens und in Vollzug dieses Rechts zur Erteilung von Weisungen zwecks Ausführung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung berechtigt. Dieses Weisungsrecht erfülle aber nach ständiger Rechtsprechung nicht das selbständige Tatbestandsmerkmal der organisatorischen Eingliederung. 
 
Etwas anderes gelte demgegenüber für die weitergehenden Rechte aus einem Beherrschungsvertrag. Diese führen zur organisatorischen Eingliederung, weil sich das Weisungsrecht nach § 308 AktG nicht nur auf die Überwachung beschränkt, sondern darüber hinaus auf die Leitung der Gesellschaft (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) bezieht. Im Gegensatz zum Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters, das nur die Möglichkeit eröffne, einzelne laufende Angelegenheiten an sich zu ziehen, umfasse das Weisungsrecht aus § 308 AktG die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung. Dem Geschäftsführer der abhängigen GmbH können damit direkt Weisungen erteilt werden, ohne dass der Weg über die Gesellschafterversammlung beschritten werden müsste. Der Beherrschungsvertrag gewährleistet folglich von Rechts wegen den Vorrang des Organträgers vor dem Interesse der Organgesellschaft und rechtfertigt die Eingliederung.
 
Im Streitfall war die Klägerin aufgrund des Vertrages vom 29.10.2007 Organträgerin der C-GmbH. Da dieser Vertrag erst mit der Eintragung in das Handelsregister am 4.12.2007 wirksam wurde, ist die C-GmbH ab diesem Zeitpunkt organisatorisch in die Klägerin eingegliedert.
 
3. Auswirkungen in der Praxis
Das Rechtsinstitut der Organschaft ist wegen der aktuellen Rechtsprechung auf nationaler und europäischer Ebene und nicht zuletzt wegen des kürzlich veröffentlichten BMF-Schreibens vom 26.5.2017 mehr und mehr Diskussionsgegenstand. Die Voraussetzungen der Organschaft müssen aber rechtssicher bestimmbar sein. Schließlich treten die Rechtsfolgen qua Gesetz ein. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung im Sinne der Rechtsklarheit nicht zu unterschätzen. Zuletzt hat der XI. Senat des BFH mit seinem Urteil vom 12.10.2016 – XI R 30/14 zur organisatorischen Eingliederung entschieden, dass für deren Annahme Weisungsrechte, ausgeübt durch eine Gesellschafterversammlung oder einen Geschäftsführer der Muttergesellschaft, ausreichen. Nach dieser aus der Sicht eines Praktikers sehr begrüßenswerten Entscheidung folgt jetzt diese nicht minder erfreuliche Entscheidung. Zwar ist die Finanzverwaltung bereits von der organisatorischen Eingliederung ausgegangen, wenn ein Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG vorlag (Abschn. 2.8 Abs. 10 S. 4 UStAE). Der V. Senat stellt aber erstmalig höchstrichterlich klar, dass der Beherrschungsvertrag die organisatorische Eingliederung begründet. Insbesondere die explizit genannte analoge Anwendung im GmbH-Recht sorgt nunmehr für klare Verhältnisse. 
 
Wermutstropfen beim Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag ist freilich die mit diesem Vertrag einhergehende zivilrechtliche Haftung des Organträgers. Er ist zum Ausgleich der Verluste des abhängigen Unternehmens verpflichtet. Dies ist in der Praxis nicht immer gewünscht. Denn  Tochtergesellschaften werden mitunter auch gegründet, um das Haftungsrisiko auf die Tochtergesellschaft zu konzentrieren. 

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 21.07.2017