Umsatzsteuer Newsletter 14/2017
Ende der Organschaft bei Insolvenz
Der BFH hat entschieden, dass die Insolvenz des Organträgers die umsatzsteuerrechtliche Organschaft ebenso beendet wie eine Insolvenz der Organgesellschaft. Dies gilt auch dann, wenn ein und derselbe Insolvenzverwalter oder Sachwalter bei dem bisherigen Organträger und der bisherigen Organgesellschaft eingesetzt wird. Durch dieses Urteil tritt der BFH für die Insolvenz des Organträgers einer Verfügung der OFD Frankfurt entgegen.

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1.    Sachverhalt (BFH v. 15.12.2016 – V R 14/16)

Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH, die z. T. unmittelbar und z. T über eine Tochtergesellschaft zu 100 % an sechs GmbHs beteiligt war. A war einer der Geschäftsführer der Klägerin und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften. Die Klägerin und das Finanzamt gingen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Klägerin und den sechs GmbHs aus.

Das Amtsgericht eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und dasjenige ihrer Tochtergesellschaften. Weiterhin ordnete es die Eigenverwaltung gem. § 270 Abs. 1 InsO an. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis blieb laut Eröffnungsbeschlüssen bei der jeweiligen Schuldnerin. Schuldbefreiende Leistungen konnten nur an diese erfolgen. Sachwalter war bei allen Beteiligten der P. Das Finanzamt ging vom Fortbestehen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft nach Eröffnung der Insolvenzverfahren aus. Es setzte gegenüber der Klägerin auch Umsatzsteuer aus Umsätzen der Tochtergesellschaften fest. Die Vorauszahlungsbescheide der Tochtergesellschaften setzt es dementsprechend auf EUR 0 fest.



2.    Entscheidung des BFH
Der BFH ist im Ergebnis davon ausgegangen, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Organträger die umsatzsteuerrechtliche Organschaft endete. Zur Begründung nennt der BFH einen systematischen Unterschied zwischen Umsatzsteuerrecht und Insolvenzrecht. Umsatzteuerrechtlich führt eine Organschaft dazu, dass Organträger und Organgesellschaft ein Unternehmen bilden. Das Insolvenzrecht fasst die Insolvenzverfahren mehrerer Konzerngesellschaften hingegen nicht zusammen. Insolvenzrechtlich bilden im Konzern verbundene Unternehmen keine einheitliche Haftungsmasse. Nur bei Umsatzsteuerforderungen aus Umsatztätigkeiten des Organträgers nach Insolvenzeröffnung handelt es sich um dessen Masseverbindlichkeiten. Nicht um Masseverbindlichkeiten des Organträgers würde es sich hingegen bei Umsatzsteuerforderungen aus Tätigkeiten der Organgesellschaft nach Insolvenzeröffnung handeln. Das Finanzamt könnte die Umsatzsteuern der Organgesellschaften nicht gegen die Masse beim Organträger festsetzen. Da an der insolvenzrechtlichen Verfahrenstrennung auch die Anordnung der Eigenverwaltung nichts ändert, sorgt diese für keine andere Beurteilung.

Weiterhin endete durch die Insolvenz der Organgesellschaften ebenfalls die Eingliederung. Dies folgt bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters aus § 80 Abs. 1 InsO. Bei Anordnung der Eigenverwaltung endet die finanzielle Eingliederung aufgrund von § 276a S. 1 InsO. Danach haben Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe der Organgesellschaft keinen Einfluss mehr auf deren Geschäftsführung. Aufgrund der insolvenzrechtlichen Verfahrenstrennung und des weiterhin anzuwendenden § 276a S. 1 InsO ändert sich an dem Ergebnis auch nichts dadurch, dass der Sachwalter von Organträger und Organgesellschaft identisch ist.

3.    Praxisfolgen

Bisher ist die Finanzverwaltung (und ein Teil der Literatur) davon ausgegangen, dass bei der Insolvenz des Organträgers die Organschaft fortbesteht (vgl. OFD Frankfurt v. 25.11.2015). Dem ist der BFH entgegengetreten. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Organträger endet die Organschaft, unabhängig davon, ob ein Fall der Eigen- oder der Fremdverwaltung vorliegt. Sollte die Finanzverwaltung bereits gegen die Masse Umsatzsteuer festgesetzt haben, welche aus Umsätzen der vermeintlichen Organgesellschaft resultiert, kann der Insolvenzverwalter diese Umsatzsteuer (ggf. verzinst) zurückfordern, sofern es verfahrensrechtlich noch möglich ist. Dass die Organschaft auch bei einer Insolvenz der Organgesellschaft endet, entspricht zumindest für den Fall der Fremdverwaltung der BFH-Rechtsprechung zur Konkursordnung. Bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (stark oder schwach) endet die Organschaft. Höchstrichterlich nicht geklärt ist, wie sich dies bei einer vorläufigen Eigenverwaltung darstellt.

Entgegen der genannten Verfügung der OFD Frankfurt endet auch bei der Bestellung ein und desselben Insolvenzverwalters für Organträger und Organgesellschaft die Or­ganschaft. Der BFH musste dies zwar nur für den identischen Sachwalter entscheiden. „Nebenbei“ hat er aber auch den Fall des identischen Insolvenzverwalters erwähnt.

Das Ende der Organschaft bedeutet für die Organgesellschaft – auch wenn über ihr Vermögen selbst kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde –, dass sie ab diesem Zeitpunkt sämtliche umsatzsteuerrechtlichen Pflichten selbst wahrnehmen muss. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei den Leistungsbeziehungen, die trotz der Insolvenz einer oder beider Gesellschaften fortbestehen, grundsätzlich um steuerbare Umsätze handelt.

Ansprechpartner:

Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt
Tel.: +49 89 217501274
michael.rust@kmlz.de

Stand: 16.05.2017